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Aktuelles: Struktur von zentralem Entzündungsschalter aufgekl?rt

Studie der Unis Regensburg und Bonn macht Weg für neue Pharmaka frei

04. Februar 2022, von Margit Scheid

  • Biologie und Vorklinische Medizin
  • Forschung

Forschende der Universit?t Regensburg, rund um das Team von Prof. Dr. Christoph Engel vom Lehrstuhl für Strukturelle Biochemie, und der Universit?t Bonn (Team Prof. Dr. Matthias Geyer vom Institut für Strukturbiologie) haben die Struktur eines zentralen zellul?ren Entzündungs-Schalters aufgekl?rt. Ihre Arbeit zeigt, an welchen Ort des riesigen Proteins namens NLRP3 Hemmstoffe binden k?nnen. Dadurch wird der Weg zu neuen Pharmaka frei, die gegen entzündliche Erkrankungen wie Gicht, Typ-2-Diabetes oder auch Alzheimer helfen k?nnten. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift ?Nature“ erschienen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in ihrer Studie ein Eiwei?molekül mit dem kryptischen Kürzel NLRP3 untersucht. Dabei handelt es sich um eine Art Gefahrensensor in der Zelle: Er schl?gt Alarm, wenn die Zelle in Stress ger?t, etwa durch eine bakterielle Infektion oder durch Toxine. NLRP3 sorgt dann einerseits dafür, dass in der Zellmembran L?cher entstehen, was schlie?lich zum Tod der Zelle führt. Davor kurbelt das Sensor-Molekül aber noch die Bildung von Entzündungs-Botenstoffen an, die durch die perforierte Membran freigesetzt werden. Sie rekrutieren weitere Immunzellen an den Ort des Geschehens und sorgen dafür, dass Zellen in der Umgebung Selbstmord begehen – so kann sich zum Beispiel ein Bakterium oder Virus nicht weiter ausbreiten.
?Die Folge ist eine massive Entzündungsreaktion“, erkl?rt Prof. Dr. Matthias Geyer, der die Studie geleitet hat. ?Zur Abwehr von Erregern ist das auch sehr sinnvoll. Wird sie aber überdosiert oder schon durch harmlose Ausl?ser getriggert, k?nnen chronische Entzündungskrankheiten die Folge sein – etwa Diabetes vom Typ II, Gicht, Morbus Crohn oder selbst Demenzerkrankungen wie Alzheimer.“
Rund um den Globus suchen Forschende daher nach Wegen, gezielt auf Entzündungsprozesse einzuwirken, ohne dabei den gesamten Mechanismus der Immunantwort auszuhebeln. Schon vor 20 Jahren ver?ffentlichte die US-Pharmafirma Pfizer dazu einen interessanten Befund: Bestimmte Wirkstoffe verhindern demnach die Freisetzung von Zytokinen, den wichtigsten Entzündungs-Botenstoffen. Wie diese CRIDs (Cytokine Release Inhibitory Drugs) das machen, war aber bislang unbekannt. Seit einigen Jahren wei? man, dass CRIDs irgendwie verhindern, dass die zellul?ren Gefahrensensoren Alarm schlagen. ?Wir haben nun herausgefunden, auf welche Weise sie diese Wirkung entfalten“, erkl?rt Geyers Mitarbeiterin Inga Hochheiser. Dazu hat sie gro?e Mengen NLRP3 aus Zellen isoliert, aufgereinigt und mit dem Hemmstoff CRID3 versetzt. Winzige Portionen dieser Mischung hat sie auf einen Tr?ger getropft und dann direkt eingefroren.

Bei dieser Methode entsteht ein dünner Eisfilm. Er enth?lt Millionen von NLRP3-Molekülen, an die CRID3 gebunden ist. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e lassen sich mit dem Elektronenmikroskop betrachten. Da die Moleküle beim Auftropfen unterschiedlich fallen, sind unter dem Mikroskop verschiedene Seiten von ihnen zu sehen. ?百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Ansichten lassen sich zu einem dreidimensionalen Bild kombinieren“, erkl?rt Hochheiser. Die Kryo-EM-Bilder erlauben einen genauen Einblick in die Struktur des durch CRID3 inaktivierten Gefahrensensors. Auf ihnen ist zu erkennen, dass sich NLRP3 in seiner inaktiven Form zu einem Mega-Molekül zusammenfindet. Es besteht aus zehn NLRP3-Einheiten, die zusammen eine Art K?fig bilden. ?Das spannendste Ergebnis unserer Arbeit ist aber, dass wir die CRID3-Bindungsstellen identifizieren konnten“, freut sich Geyer. ?Daran haben sich alle anderen Arbeitsgruppen bislang die Z?hne ausgebissen.“
Die Bindungsstellen (Strukturbiologen sprechen auch von ?Taschen“) liegen demnach im Innern des K?figs. Jede der zehn Einheiten verfügt über eine dieser Taschen. Ist sie von CRID3 belegt, blockiert der Hemmstoff einen Klapp-Mechanismus, der für die Aktivierung von NLRP3 n?tig ist. ?hnlich wie bei einer aufblühenden Rose, die nur in diesem Zustand von einer Biene besucht werden kann, gelangen beim Umklappen bestimmte Teile des NLRP3-Proteins auf die Oberfl?che des K?figs und werden dadurch zug?nglich.
NLRP3 ist ein Vertreter einer ganzen Familie ?hnlicher Proteine. Jedes von ihnen erfüllt vermutlich bei verschiedenen Entzündungsvorg?ngen seine ganz spezifische Aufgabe. ?Wir glauben aufgrund unserer Untersuchungen, dass sich die Taschen all dieser NLRPs unterscheiden“, sagt Geyer. ?Für jede l?sst sich daher vermutlich ein eigener Hemmstoff finden.“ Forschende erhalten so ein ganzes Arsenal von m?glichen neuen Waffen gegen verschiedene, entzündliche Krankheiten an die Hand. 

Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie durch EU-Mittel im Rahmen der iNEXT-Discovery- und der Instruct-ERIC-Initiativen gef?rdert. Die Kryo-EM-Bilder zur Strukturaufkl?rung wurden am EMBL in Heidelberg aufgenommen.

Originalpublikation: 
Inga V. Hochheiser, Michael Pilsl, Gregor Hagelueken, Jonas Moecking, Michael Marleaux, Rebecca Brinkschulte, Eicke Latz, Christoph Engel & Matthias Geyer: Structure of the NLRP3 decamer bound to the cytokine release inhibitor CRID3; Nature; DOI: 10.1038/s41586-022-04467-w; (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

https://www.nature.com/articles/s41586-022-04467-w (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Kontakt aufnehmen

Prof. Dr. Christoph Engel

Lehrstuhl für Strukturelle Biochemie
Universit?t Regensburg
Regensburg Center for Biochemistry (RCB)
Tel.: +49 (0)941 943 2718 / -2809
E-Mail: christoph.engel@ur.de

Dr. Matthias Geyer

Institut für Strukturbiologie der Universit?t Bonn
Tel. +49-(0)228/287-51400
E-Mail: matthias.geyer@uni-bonn.de

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