Mit einer feierlichen Vernissage hat die Universit?t Regensburg am Mittwochabend die Ausstellung ?Prozesse filmen: eine Herausforderung für die Gesellschaft. Von Nürnberg bis zur chilenischen Diktatur“ er?ffnet. Die Ausstellung ist bis zum 12. Juli 2025 im Oberen Foyer der Universit?tsbibliothek zu sehen und widmet sich der filmischen Dokumentation internationaler Strafprozesse – von den Nürnberger Prozessen über den Eichmann-Prozess bis hin zu Verfahren gegen T?ter der chilenischen Milit?rdiktatur.
Nach der musikalischen Er?ffnung des Abends durch David Peterhoff und Arnold Thelemann (Kammerorchester der UR), begrü?te Universit?tspr?sident Prof. Dr. Udo Hebel die knapp 100 geladenen G?ste, unter ihnen die israelische Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher, der stellv. Generalkonsul der Republik Frankreich in München, Pierre Clouet, Martine Sin Blima-Barru, Abteilungsleiterin im franz?sischen Nationalarchiv und Kuratorin der Ausstellung, Ilse Danziger, Vorstand der Jüdischen Gemeinde Regensburg und die Regensburger Stadtr?tin Gabriele Opitz, in Vertretung von Regensburgs Oberbürgermeisterin Getrud Maltz-Schwarzfischer.
In seinem Gru?wort hob Pr?sident Prof. Dr. Udo Hebel die Bedeutung der Ausstellung für die Universit?t Regensburg und über sie hinaus hervor. ?Der Universit?t Regensburg ist es als Ort der internationalen Begegnung und der Vielfalt ein gro?es Anliegen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung – besonders auch für die zukunftsgerichtete und gerechte Erinnerungsarbeit – gerecht zu werden. Die Ausstellung Prozesse filmen steht exemplarisch für die wissenschaftliche Erinnerungsarbeit, die an unserer Universit?t gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern geleistet wird.“
Die israelische Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher, betonte in ihrer Ansprache die internationale Relevanz audiovisueller Zeugnisse für die kollektive Erinnerung und die St?rkung rechtsstaatlicher Werte. ?百利宫_百利宫娱乐平台¥官网es Jahr feiern wir 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel und 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus. Insbesondere in den 20 Jahren vor der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen spielte für Jüdinnen und Juden, vor allem Holocaust-?berlebende, und für den Staat Israel mit Blick auf Deutschland die Frage nach Gerechtigkeit eine zentrale Rolle. Die Ausstellung ‘Prozesse filmen: eine Herausforderung für die Gesellschaft.’ tr?gt dem Rechnung, indem sie Filmaufnahmen bedeutender internationaler Strafgerichtsprozesse, beginnend mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1945/46 ins Zentrum stellt.“
Auch der stellvertretende franz?sische Generalkonsul in München, Pierre Clouet, unterstrich die historische und politische Dimension der gezeigten Filme. ?In einer Zeit, in der die Stimmen der Zeitzeug*innen verstummen, müssen Archive sprechen. Gerichtsfilme k?nnen zwar keine Zeug*innen ersetzen, aber sie erm?glichen eine neue Form des kollektiven Ged?chtnisses. Gerade heute ist es von gr??ter Bedeutung, sich daran zu erinnern, dass ein unabh?ngiges Justizsystem und die Dokumentation schwerster Verbrechen Grundpfeiler unseres Rechtsstaats sind.“
Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer, Pr?sidentin der Deutsch-Franz?sischen Hochschule (DFH), würdigte in ihrem Gru?wort die Ausstellung als gelungenes Beispiel internationaler Wissenschaftskooperation: Ursprünglich vom franz?sischen Nationalarchiv (Archives nationales) unter dem Titel ?Filmer les procès: un enjeu social“ konzipiert, wurde sie für die Pr?sentation in Regensburg von Prof. Dr. Isabella von Treskow wissenschaftlich erweitert und inhaltlich kontextualisiert. ?百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Ausstellung macht sichtbar, was oft im Verborgenen bleibt: fragile Verbindungen zwischen Gerechtigkeit, Erinnerung und Verantwortung. Die gefilmten Strafprozesse zeugen davon, wie Gesellschaften ringen, das Unaussprechliche in Worte und Bilder zu fassen – und stellen die Frage, ob dies überhaupt m?glich ist. Als Pr?sidentin der Deutsch-Franz?sischen Hochschule, die für grenzüberschreitende Verst?ndigung durch Bildung steht, berührt mich dieser deutsch-franz?sische Ausstellungsdialog zutiefst.“
Prof. von Treskow, Inhaberin des Lehrstuhls für franz?sische und italienische Literatur- und Kulturwissenschaft, hat mit ihrer kuratorischen Arbeit nicht nur einen zentralen Beitrag zur Ausstellung geleistet, sondern st?rkt auch die internationale Vernetzung der Universit?t Regensburg in besonderer Weise: Seit dem 1. Januar 2025 vertritt sie zudem die Mitgliedshochschulen im Hochschulrat der Deutsch-Franz?sischen Hochschule (DFH).
?Wie anders s?he das deutsche Geschichtsbild aus, wenn wir nicht Filmaufnahmen des Eichmann-Prozesses h?tten? Wie anders unser Weltverst?ndnis, wenn wir uns nicht in Europa auf ordentliche Verfahren verlassen k?nnten? Die Ausstellung zeigt, wie sich die Rechtsprechung ab 1945 über Etappen entwickelte und dass der Gerichtssaal ein Ort ist, an dem Gesellschaften ihre Grundwerte verhandeln, besonders in Strafprozessen und erst recht in solchen zu V?lkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich bin dankbar, dass die Ausstellung vom Franz?sischen Nationalarchiv zu uns gekommen ist. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen in Frankreich hat hervorragend geklappt. Der Zuspruch am heutigen Abend ist ein Beweis dafür, dass auch ein zun?chst abstrakt aussehendes Thema breite Resonanz entfalten kann. Was uns in Regensburg mit den franz?sischen Kollegen und Kolleginnen verbindet, ist das Engagement für Menschenrechte und für die Demokratie. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e gemeinsame Basis tr?gt uns, auch heute und sicher in der Zukunft“, erkl?rte Prof. von Treskow.
Unter den G?sten des Abends waren auch zahlreiche franz?sische und deutsche Studierende aus deutsch-franz?sischen Doppelstudieng?ngen, au?erdem Studierende der Medienwissenschaft, Kriminologie und weiterer F?cher, für die der Hauptvortrag Teil einer die Ausstellung flankierenden Ringvorlesung ist.
百利宫_百利宫娱乐平台¥官网en Hauptvortrag hielt dann Prof. Dr. Stefanie Bock, Direktorin des Internationalen Friedens- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse an der Universit?t Marburg. Sie erl?uterte eindrucksvoll die Rolle audiovisueller Aufzeichnungen in internationalen Strafverfahren – im Spannungsfeld zwischen juristischer Dokumentation, ?ffentlicher Wahrnehmung und erinnerungspolitischem Anspruch. Sie erkl?rte: ?Aufzeichnungen von Strafverfahren sind in Deutschland weitgehend unzul?ssig. Im V?lkerstrafrecht steht dies im Widerspruch zur internationalen Praxis. Schon die nach dem Zweiten Weltkrieg geführten Nürnberger Prozesse wurden in weiten Teilen in Ton und Bild festgehalten. Heute werden grunds?tzlich alle ?ffentlichen Verhandlungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof im Internet gestreamt“, so die Rechtswissenschaftlerin. Die Taten würden so weltweit sichtbar, auch und vor allem gegenüber den Opfern und der tatbetroffenen Gesellschaft, als Unrecht gebrandmarkt. Gleichzeitig werde die Verbindlichkeit des Rechts bekr?ftigt und gezeigt, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben. ?Deutschland sollte sich st?rker an den internationalen Vorbildern orientieren. Die Aufzeichnung und Verbreitung nationaler V?lkerstrafprozesse kann die Informationsinteressen der Opfer und der tatbetroffenen Gesellschaften befriedigen und zu einer zumindest kommunikativen St?rkung der V?lkerstrafrechtsordnung beitragen“, so Prof. Bock.
Im Anschluss stellten Prof. Dr. Anna Bernzen und Prof. Dr. Robert Uerpmann-Wittzack das Konzept der begleitenden interdisziplin?ren Ringvorlesung ?Kameras im Gerichtssaal“ vor. Sie beleuchtet aus rechtswissenschaftlicher, medienwissenschaftlicher und kulturwissenschaftlicher Perspektive die Chancen und Herausforderungen filmischer Prozessaufzeichnung. Als bekanntester Referent wird der ARD-Rechtsexperte Frank Br?utigam am 9. Juli zu Gast sein.
Den festlichen Abschluss der Vernissage bildete dann die offizielle Ausstellungser?ffnung durch Dr. André Schüller-Zwierlein, Direktor der Universit?tsbibliothek.
?ber die Ausstellung
Die Ausstellung pr?sentiert noch bis zum 12. Juli 2025 sechs exemplarische Filme von international bedeutsamen Strafprozessen: Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesse (1945/46), Eichmann-Prozess (1961) sowie die Prozesse gegen Klaus Barbie (1987), Paul Touvier (1994), Maurice Papon (1998) und gegen T?ter der Pinochet-Diktatur (2010). Besucher*innen erwartet ein intensives Ausstellungserlebnis mit Filmsequenzen (10–25 Minuten, mit deutschen Untertiteln), erg?nzt durch Informationen zur Kameratechnik, zur rechtlichen Einordnung, zu den Gefahren der Selbstinszenierung – am Beispiel z.B. des Prozesses gegen Eichmann, der sich erfolgreich als ?pedantischer Bürokrat“ darstellte, so dass er als ?banale“ Person erschien – sowie zu den historischen Hintergründen.
Die Ausstellung und die Ringvorlesung zeigen eindrucksvoll, wie bewegte Bilder zur Auseinandersetzung mit Unrecht beitragen und zur Erinnerung an historische Verantwortung mahnen – und stellen zugleich wichtige Fragen an die Gegenwart: Welche Rolle spielen Kameras im Gerichtssaal? Wie ver?ndert das Medium Film unser Verst?ndnis von Recht und Gerechtigkeit?
Informationen zur Ausstellung ?Prozesse filmen“ (externer Link, ?ffnet neues Fenster)
Informationen zur Ringvorlesung ?Kameras im Gerichtssaal“ (externer Link, ?ffnet neues Fenster)
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