Um es gleich vorwegzunehmen: Die in den Küchenbüchern des Spitals erw?hnte Weihnachtssemmel hat nichts mit der ?Knacker mit allem“ zu tun, die als Regensburger Spezialit?t erstmals 1946 auf dem hiesigen Christkindlmarkt angeboten worden ist. Die herzhafte Wurstsemmel mit einer Regensburger vom Rost an eingelegten Gurken, sü?em und scharfem Senf sowie Meerrettich erfreute die St?dter erst ab dem ersten Nachkriegsjahr.
Unter dem Begriff der ?feyertags semmel“ ist ein gr??eres Geb?ck als die heutige Semmel zu verstehen: Im Rechnungsbuch des Emmeramer Abts Albert aus den Jahren 1327/8 ist ein recht ?gutes, wei?es und geschmackvolles Brod“ als Zuteilung an Konvent und Hausgemeinschaft zu Weihnachten, Ostern und dem Gedenktag des Hl. Emmeram für ein feierliches gemeinsames Mahl belegt. Bereits im 11. Jahrhundert findet sich ein Zeugnis, dass die sog. simila (lat. simila: Weizenmehl) von hinreichender Gr??e war: Im Katharinenspital wog sie 3,6 kg und war neben den Wei?brotbestandteilen Weizenmehl, Hefe und Wasser mit Schmalz und Eiern verfeinert. Die lateinische Bezeichnung des Hauptbestandteils, n?mlich das Weizenmehl, hatte sich somit auf das Geb?ck übertragen, das verschiedentlich geformt sein konnte: als Wecken, Kipf, Stollen, Brezel oder Gebildbrot. Wie das allt?gliche Brot wurde die Festtagssemmel in Gemeinschaft eingedenk des letzten Abendmahls verzehrt.
Die Küchenrechnung aus dem Jahre 1733 erlaubt eine qualitative Differenzierung des Geb?cks durch die Zugabe von ?Sch?ns Mehl“ oder ?Pohlmehl“, wobei Letzteres einen h?heren Kleieanteil aufweist. Die Semmeln aus feinerem Weizenmehl wurden überwiegend an Personen au?erhalb des Spitals verteilt, diejenigen aus gr?berem Mehl an Pfründner und Bedienstete. Im Katharinenspital wurde dieses Geb?ck zu Johanni, Ostern und Weihnachten ausgeteilt. W?hrend die Semmeln im Sommer von einem ausw?rtigen B?cker gegen die Abgabe von Johannismet bezogen wurden, besorgte deren Herstellung an den beiden anderen Festtagen der Spitalpfister.
Die Zubereitung der Semmeln unterlag besonderer Sorgfalt: Als der B?cker 1740 der Trunkenheit verfiel und infolge derer die Backstube sowie Zutaten wegen seiner ?faulheit, unfl?terei und nachl?ssigkeit“ verunreinigte, mahnte der Spitalrat an, dass die Weihnachtssemmeln nicht mehr bei anhaltender Unhygiene gebacken werden dürften. Etwas befremdlich mutet an, dass nach Quellenlage das Brot für den t?glichen Bedarf von dieser Regelung offenbar nicht betroffen war…
Den Angeh?rigen der Spitalverwaltung und den Pfründnern wurde neben dem Geb?ck am Heiligen Abend Wein und geweihter ?kreuczk??“ oder aus der eigenen Sennerei ?schwaigkh??“ gereicht.
Eine ganze Spalte des Küchenbuchs widmet sich akribisch der Dokumentation, wie die Weihnachtssemmel nach Empf?nger und Abgabemenge am Heiligen Abend zu verteilen sei. Als Erster führt der Regensburger Bischof die Liste mit zwei ganzen Semmeln an, ihm folgt der Domdekan mit einer 1? gro?en und 12 kleinen Semmeln. Weitere katholische wie evangelische Seelsorger, Handwerker und Bedienstete des Spitals vervollst?ndigen die Aufstellung mit abnehmender Ration. Nicht eine prim?r religi?s motivierte Gabe, sondern eine spezielle Verbundenheit der Beschenkten zum Katharinenspital bestimmte diese mehr gewohnheits- als pflichtm??igen Naturalabgaben im Sinne einer Gratifikation. Der Kreis der Empf?nger ersteckte sich somit von den h?chsten geistlichen Herren bis zur K?chin des Spitals.
Die Austeilung von Semmeln an Festtagen ist ebenfalls aus anderen Spit?lern wie in N?rdlingen belegt. In Ulm bekamen in den Kl?stern die Armen und Konventualen am Kindleinstag (Tag der unschuldigen Kinder) ein Semmelbrot.
Geb?ck, Brot und Kuchen waren in der Stadt Regensburg g?ngige Weihnachtsgaben – insofern nimmt sich das Katharinenspital in dieser Hinsicht nicht aus. In früheren Zeiten wurde gerne ein Krapfen verteilt; erst ab 1442 l?ste die Weihnachtssemmel das Schmalzgeb?ck als offizielle Gabe ab, als der st?dtische Rat den Geistlichen diese Geb?ckart fortan zuteil werden lie?.
Im Volkstum vermischen sich religi?se und magische Konnotationen in zahlreichen Spielarten, von denen nur einige vorgestellt werden k?nnen: Zum einen wurde aus Semmeln besondere Speisen zu Festtagen zubereitet (wie z. B. zu Weihnachten der Semmelschmarrn oder eine Milchsuppe mit eingebrockter Semmel), zum anderen wohnte dem Geb?ck apotrop?ische Kraft inne: Krümel wurden als Reste des Weihnachtsmahls Engeln, der wilden Jagd oder der Percht ausgelegt, damit die Hausbewohner in den Rauhn?chten von Letzteren nicht heimgesucht wurden.
Auch konnte die Semmel als Symbol der Fruchtbarkeit und als Glücksbringer fungieren: Teigreste wurden an St?mme der Obstb?ume geschmiert oder Krümel auf der Obstwiese verteilt, um gute Ernte für das neue Jahr zu beschw?ren. Das letzte Brot des Jahres sollte aus dem Mehl der letzten Garbe des Sp?tsommers hergestellt werden, um den Erntesegen des letzten Jahres in das neue zu führen.? In manchen Gegenden wurde das Weihnachtsbrot bis Mari? Lichtmess als Ende der Weihnachtszeit in kleinen Portionen verzehrt. Als Hochzeitsgabe a?en beide Eheleute von dem gro?en Semmellaib. Auch als Geschenk anl?sslich von Geburt, Taufe oder Firmung l?sst sich die feine Semmel in der Oberpfalz finden.
Neben den erw?hnten Vegetationsriten l?sst sich die Semmel auch als Totenopfer belegen. Transzendentale Bedeutung gewinnt die Semmel, wenn einem verwaisten Kind bei der Beerdigung seiner Eltern eine Semmel als letzter Gru? der Eltern am Grab gereicht wird.
Schlie?lich die Semmel als aphrodisierendes wie magisches Medium verwendet: Ein Stückchen Wei?brot, mit Schwei? oder Menstruationsblut getr?nkt, soll M?nner toll machen. Ein Semmelstück, auf die Stirn eines fiebernden Kindes gelegt, soll in Form eines ?bertragungszaubers die Krankheit heilen, indem dieses das Fieber aufnimmt und an einen Hund verfüttert wird, worauf jener schlie?lich das Fieber bekommt.
In bestimmten N?chten wie der Andreasnacht kann die Semmel als Augurium fungieren, indem den M?dchen der künftige Ehemann oder zumindest eine Richtung angezeigt wird,? aus der ihr sp?terer Br?utigam kommen wird.
Auch als Zeichen eines stillen Einverst?ndnisses kann die Semmel in der Oberpfalz dienen: Wenn ein Bursche ein M?dchen auf ein Bier einl?dt und eine Semmel in Stückchen bricht, signalisiert das M?dchen seine Zuneigung, wenn es ein Br?ckchen isst.