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Aktuelles: ?Wilde“ im deutschen Identit?tsdiskurs 1830-1870

Spuren des Exotischen im nationalen Denken und in kolonialen Bildern

31. M?rz 2021, von Thomas Oberst / Kommunikation & Marketing

Wenn wir andere beschreiben, geben wir ebenso viel über uns preis wie über die Beschriebenen. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网es Ph?nomen begegnete Dr. Christin Hansen (externer Link, ?ffnet neues Fenster) vom Lehrstuhl für Europ?ische Geschichte bei der Forschung im Rahmen ihrer Dissertation zum Thema ?‘Wilde‘ im deutschen Identit?tsdiskurs 1830-1870. Spuren des Exotischen im nationalen Denken und kolonialen Bildern“. Dabei sind ?die Wilden“ keine bestimmte Gruppe aus Individuen, sondern viel mehr ein Konstrukt zur Darstellung von Fremd- und damit einhergehend auch Selbstbildern, um dadurch gruppenspezifische Identit?ten zu best?rken oder gar auszubilden.

Im frühen 19. Jahrhundert fanden in Europa aufgrund mehrerer Revolutionen zahlreiche politische und gesellschaftliche Wandlungsprozesse statt, was es zu einem Jahrhundert der Nationalbewegungen machte. Besonders wichtig bei der Bildung eines Nationalstaats ist die Schaffung einer gruppenspezifischen Identit?t. Eine solche Identit?t ist nicht beschlossen und niedergeschrieben, sie l?sst sich viel mehr ablesen an allt?glichen, oft kulturellen Dingen. So hatten beispielsweise Reiseberichte aus dem neu erschlossenen mittleren Westen Amerikas einen gro?en Einfluss auf die zunehmend alphabetisierte deutsche Bev?lkerung. Auch Romane wie ?Der letzte Mohikaner“ des amerikanischen Schriftstellers James Cooper wurden in den 1820er-Jahren ins Deutsche übersetzt und weckten das Interesse eines breiten Publikums.


Interessant ist dabei, wie die ?Wilden“, in diesem Fall die nordamerikanischen Ureinwohner, aus subjektiver Sicht mit einer deutschen Mentalit?t in Reiseberichten beschrieben wurden. Vor allem wie dabei beschriebene Eigenschaften bewertet wurden. So entstand zum einen das Bild des edlen Wilden, dessen Mut, Tapferkeit und St?rke als Vorbild dienen sollte und zum anderen das Bild des verwahrlosten Wilden, schlecht gekleidet, mit mangelnder Hygiene und voll von Lastern wie Alkoholismus, Bettelei und Kriminalit?t. An diesen subjektiven Beschreibungen waren direkt die Eigenschaften abzulesen, welche im Kontext der eigenen Identit?t erstrebenswert waren und welche es wiederum zu vermeiden galt.


Nicht nur die Beschreibung fremder Kulturen diente zur Bildung von Autostereotypen. Auch die Bewertung des Vorgehens der anderen europ?ischen M?chte bei der Kolonialisierung bot Raum zur Darstellung der eigene Werte. Man stellte beispielsweise fest, dass das kolonialisierte Volk zwar zivilisierbar sei, die bisherigen Kolonialm?chte wie Frankreich oder England dies jedoch nicht geschafft h?tten. Wenn man selbst die M?glichkeit gehabt h?tte, k?nnte das Volk bereits lesen, was einen Fokus auf Alphabetisierung und Bildung in der eigenen Nation widerspiegelt.


Jedoch sind solche kolonialen Bilder keineswegs ein Relikt der Vergangenheit. Auch heute wird sich noch auf lange veraltete Stereotypen berufen. Nach dem Tod von George Floyd wurden im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegungen auch Diskussionen zum Umgang mit der eigenen kolonialen Vergangenheit laut. Beispielsweise forderte man die Rückgabe von Artefakten, die w?hrend der Kolonialisierung geraubt wurden und heute in europ?ischen Museen ausgestellt sind. In dieser noch andauernden Diskussion wurden Stimmen laut, die sich gegen eine Rückgabe aussprachen aus Angst, die L?nder, aus denen die Artefakte stammten, w?ren nicht in der Lage, sie in Stand zu halten und sicher aufzubewahren.


百利宫_百利宫娱乐平台¥官网es Beispiel aus unserer jüngsten Vergangenheit verdeutlicht die Aktualit?t der Mentalit?tsgeschichte und zeigt, wie wichtig es ist, sich damit zu besch?ftigen und vor allem aus ihr zu lernen. Die Dissertationsschrift von Dr. Christin Hansen erscheint im Juli 2021 über den Campus Verlag in Frankfurt am Main. Sie umfasst neben der Untersuchung der Darstellung nordamerikanischer Ureinwohner auch die von Beduinen und Kosaken.


 

Thomas Oberst, Jahrgang 1992, Student im Masterstudiengang  ?Geschichte: Europ?ische Gesellschaften im Wandel“ an der Universit?t Regensburg unterstützt seit 8. M?rz 2021 den Bereich Kommunikation & Marketing als Praktikant. Dabei berichtet er u. a. über aktuelle Forschungsprojekte am Institut für Geschichte.

Bisher in dieser Reihe erschienen: 

Abbildung: ?iStock.com/duncan1890
Die Abbildung ?Kriegstanz der Sioux“ ist 1886 in ?Ferdinand Hirt‘s Geographische Bildertafeln“ erschienen.
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