Eine Studie von Wissenschaftler:innen des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie I an der Universit?t Regensburg zeigt, dass gezieltes Training die F?higkeit des Sehens im peripheren Gesichtsfeld verbessern kann. Die Erkenntnisse k?nnten zur Entwicklung neuer Reha-Methoden für Patientinnen und Patienten mit zentralem Sehverlust führen: Sie k?nnen Gegenst?nde oder ihre Umgebung nicht direkt fokussieren, sondern sind in der visuellen Wahrnehmung auf ihr peripheres Gesichtsfeld angewiesen. Die Studie ist in der Zeitschrift Translational Vision Science & Technology erschienen.
Menschen und andere S?ugetiere zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie sich an Ver?nderungen in der Umwelt anpassen k?nnen. Ein glücklicher Umstand, den sie der erfahrungsabh?ngigen Plastizit?t ihrer Gehirne zu verdanken haben. In der Kindheit ist diese Plastizit?t am st?rksten ausgepr?gt, doch auch das Gehirn eines erwachsenen Menschen weist die F?higkeit zur Formbarkeit noch auf. Psychologinnen und Psychologen der Universit?t Regensburg haben nun untersucht, inwieweit sich das Gehirn darauf trainieren – also ?verformen“ – l?sst, Objekte im peripheren Gesichtsfeld detaillierter wahrzunehmen. Eines der Probleme beim Sehen an den Au?enr?ndern des Gesichtsfelds ist das sogenannte ?Crowding“: Gemeint ist das Unverm?gen, ein Objekt zu erkennen, wenn es von vielen anderen Objekten umgeben ist. Das Crowding macht sich zum Beispiel bemerkbar, wenn man mithilfe des peripheren Gesichtsfelds versucht zu lesen. Wie stark sich das visuelle Crowding negativ auswirkt, ist auch von der Anordnung der Objekte abh?ngig: Bei tangential, also an einer gedachten Kreislinie ausgerichteten Elementen ist die Unterscheidungsf?higkeit st?rker ausgepr?gt als bei radial. d.h. strahlenf?rmig gegliederten – der Fachausdruck hierfür lautet radial-tangentiale Anisotropie.
Für ihre Untersuchung trainierte das Team um Dr. Maka Malania 17 gesunde Freiwillige an vier aufeinander folgenden Tagen in einer Lückenerkennungsaufgabe. Wie in Abbildung 1B dargestellt, bestand die Aufgabe darin, den Blick auf das rote Kreuz zu fokussieren und gleichzeitig die ?ffnungsrichtung des Buchstaben C im peripheren Gesichtsfeld zu erkennen. Es wird deutlich, dass dies bei radialer Ausrichtung der das C umgebenden St?rreize (links) schwieriger ist als bei tangentialer Ausrichtung (rechts). Um den Einfluss des Trainings zu untersuchen, wurden vor und nach dem Training Aufnahmen des Gehirns mittels funktioneller Kernspintomographie an einem 3-Tesla-MRT-Scanner der Universit?t Regensburg gemacht. Im Vorher-Nacher-Vergleich zeigt sich, dass die Crowding-Zone infolge des Trainings deutlich geschrumpft ist (siehe Abbildung 1 A und C).
1. (A) Entwicklung der “Crowding-Zone” über die vier Trainingstage hinweg, gemittelt über die Ergebnisse der 17 Probanden. (B) Beispiele für Ziel-/St?rreiz-Konfigurationen. Die Aufgabe ist, den Blick auf dem roten Kreuz zu halten und gleichzeitig die ?ffnungsrichtung des Landolt-Cs im peripheren Gesichtsfeld zu erkennen. (C) Die mittleren Ver?nderungen der Crowding-Zonen vor und nach dem Training sind jeweils als grüne und rote Ellipsoide eingezeichnet. Nach dem Training schrumpfte die Crowding-Zone entlang der radialen Achse signifikant.
In den Lehrbüchern der Psychologie wird die Crowding-Zone meist als Ellipsoid dargestellt; die Achsen dieses Ellipsoids geben an, wie weit die St?rreize vom zu erkennenden Objekt entfernt sein müssen, damit sie die Wahrnehmung gerade nicht mehr beeintr?chtigen. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网er Abstand war bei den 17 Probanden vor dem Training in der radialen Ausrichtung verh?ltnism??ig gr??er als in der tangentialen Ausrichtung (Abbildung 1C, grünes Ellipsoid). Nach dem Training hatte dieser Abstand insbesondere entlang der radialen Achse abgenommen (Abbildung 1C, rotes Ellipsoid). Das zeigt, dass die Anisotropie zwischen diesen beiden Bedingungen zurückging.
Darüber hinaus beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor Beginn des Trainings, dass strahlenf?rmig angeordnete Objekte schwerer zu erkennen waren als gleich weit entfernte tangentiale Elemente. Nach Abschluss des Trainings machte sich dieser Effekt weniger stark bemerkbar, was darauf hinweist, dass das Gehirn gelernt hatte, radial angeordnete Objekte trotz der St?rreize in der Umgebung besser zu erkennen.
Im Ergebnis zeigt die Regensburger Studie, dass gezieltes Training die Sehleistung in der Peripherie durch F?rderung der neuronalen Plastizit?t verbessert. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 motiviert zur Entwicklung geeigneter Rehabilitationsprotokolle für Patienten mit zentralem Sehverlust, die auf detailreicheres Sehen in ihrem peripheren Gesichtsfeld angewiesen sind.
Originalpublikation
Maka Malania; Maja Pawellek; Tina Plank; Mark W. Greenlee, Training-Induced Changes in Radial–Tangential Anisotropy of Visual Crowding. In: Translational Vision Science & Technology, August 2020, Vol.9, 25
DOI: https://doi.org/10.1167/tvst.9.9.25 (externer Link, ?ffnet neues Fenster)
Weiterführende Informationen
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Dr. Maka Malania
Universit?t Regensburg
Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie I
E-Mail: maka.malania@ur.de