Die Sprachwissenschaftlerin Dr. Linda Konnerth ist seit Herbst 2019 als Akademische R?tin am Regensburger Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft t?tig. Mit ihrer Forschungsarbeit zur Ver?nderbarkeit von Personenmarkern in der Südzentral-Gruppe der Sino-Tibetischen Sprachfamilie ist es ihr nun gelungen, im Rahmen des Emmy-Noether-Programms eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gef?rderte Nachwuchsgruppe mit dem Titel ?Die Dynamik der Personenmarkierung“ einzuwerben. Mithilfe dieses Programms erm?glicht die DFG hochqualifizierten Forscherinnen und Forschern, durch die souver?ne Leitung einer Nachwuchsgruppe verbunden mit qualifikationsspezifischen Lehraufgaben die Voraussetzungen für eine Berufung als Hochschullehrerin bzw. Hochschullehrer zu erlangen. Die DFG wird das Forschungsprojekt ab 2021 mit mehr als einer Million Euro f?rdern.
Personenmarker und ihre Wandelbarkeit in der Südzentral-Gruppe
Personenmarker sind grammatikalische Formen, die darüber Auskunft geben, welche Person spricht, welche angesprochen wird und über welche Personen gesprochen wird. Das sind im Deutschen W?rter wie die Personalpronomina ich, wir, du oder ihr und so weiter. In der Sprachwissenschaft gelten diese W?rter als sehr stabil, substantielle ?nderungen treten im Lauf der Zeit kaum auf. Anders in der Südzentral-Gruppe, dem Forschungsschwerpunkt von Dr. Linda Konnerth. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Sprachgruppe umfasst etwa 50 Sprachen, die in der südlichen H?lfte Nordostindiens sowie in angrenzenden Regionen Bangladeschs und Myanmars gesprochen werden. In der Südzentral-Gruppe zeigt sich eine bemerkenswert hohe Rate an Ver?nderungen in den Personenmarkern und gleichzeitig eignen sich diese Sprachen besonders gut für vergleichende Studien: ?Durch die enge Verwandtschaft der Sprachen untereinander ergeben sich geradezu labor-?hnliche Forschungsbedingungen“, erkl?rt Dr. Konnerth. Viele Variablen bleiben konstant, wie die grundlegenden Charakteristika der Sprachen oder das Grundinventar an Konstruktionen und grammatikalischen Formen. ?Dadurch, dass wir den Fokus auf die Südzentral-Gruppe legen, k?nnen wir Variationen systematisch untersuchen – sowohl im Hinblick auf ihre historische Entwicklung als auch im Vergleich der aktuellen Sprachformen“, so Linda Konnerth weiter.
Sprachwandel am Beispiel des Inklusiv
Ein Beispiel für eine wandelbare Personenform in der Südzentral-Gruppe ist der Inklusiv – diese Form bezeichnet eine Personengruppe von Sprecher und Adressat. Im Deutschen gibt es keine w?rtliche Entsprechung, gemeint ist wir, wobei dieses Wir immer den Adressaten beinhaltet: du und ich, und niemals ich und andere. In gleich mehreren Südzentral-Sprachen hat der Inklusiv seine ursprüngliche Bedeutung verloren, und wird stattdessen für die zweite Person Singular, entsprechend dt. du, die erste Person Singular, entsprechend dt. ich, oder in spezifischeren innovativen Kontexten verwendet. Die Sprachforscherin geht in ihren Untersuchungen nicht nur der Frage nach, was sich ver?ndert hat und wie diese Ver?nderung vor sich ging, sondern sie fragt auch nach dem Warum. Im Fall des Inklusivs deutet vieles auf soziopragmatische Faktoren der H?flichkeit bzw. des Versuchs, einen Gesichtsverlust zu verhindern. So l?sst sich im Sprachgebrauch bspw. anstelle eines direkten Imperativs Komm‘ mit! die Variante einer inklusiven Formulierung finden: Lass uns (du und ich) gehen, obgleich die Aufforderung den Sprecher tats?chlich nicht beinhaltet hat. Solche Arten des innovativen Sprachgebrauchs m?gen unscheinbar wirken, jedoch sind sie es, die sich allm?hlich durchsetzen k?nnen und zu vollst?ndigen Ver?nderungen und sogar zu einer Umstrukturierung des Personenmarkierungssystems führen k?nnen. Das Projekt will also die generellen Faktoren identifizieren, die Druck auf bestimmte Personenmarker und in bestimmten Konstruktionen ausüben und so zum Wandel führen k?nnen. Nach Dr. Konnerths Einsch?tzung bietet ihr Projekt den ersten systematischen Ansatz zur Erforschung der Frage, wie Personenformen sich mit der Zeit ver?ndern k?nnen.
Komplexit?t der Personenmarkierung in des Sprachen der Welt: Beispiel für grammatikalische T?ne in Monsang
Au?er dem erw?hnten Inklusiv gibt es weitere Arten der Personenmarkierung, die zwar nicht im Deutschen oder anderen europ?ischen Sprachen vorkommen, wohl aber in anderen Sprachen der Welt. Solche Formen k?nnen besonderen Aufschluss über Schritte in der Entwicklung von Personenformen liefern. W?hrend bspw. im Deutschen das Verb nur Personenendungen entsprechend dem Subjekt tr?gt (ich geh-e, du geh-st etc.), ist es h?ufiger in den Sprachen der Welt, auch eine Markierung für das Objekt am Verb zu finden. In der Südzentralsprache Monsang gibt es die unten aufgeführten Verbformen, die bestimmte Personenkonstellationen von Subjekt und Objekt ausdrücken. Gleichzeitig unterscheiden sich die Verbformen lediglich im Verlauf der Stimmh?he (der sog. Ton) über die vier Silben. (Sprecher: Koninglee Wanglar)
m`-bín ké-hé – ‘they are beating me/us/you’
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m?-bìn kè-hè – ‘they are beating each other’
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m?-bín ké-hé – ‘they are beating them’
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?ber Dr. Linda Konnerth
Dr. Linda Konnerth studierte Sprachwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universit?t München und an der University of Oregon, USA. In Oregon schloss sie ihr Studium ab und promovierte 2014. Anschlie?end arbeitete sie als Postdoktorandin an einem Forschungsprojekt zu Sino-Tibetanischen Sprachen (PI: Scott DeLancey) mit. Von 2016 bis 2019 war sie als Postdoktorandin an der Hebr?ischen Universit?t Jerusalem t?tig, bevor sie im September 2019 an den Lehrstuhl von Prof. Dr. Johannes Helmbrecht an die Universit?t Regensburg kam. Mit der Sino-Tibetischen Sprachfamilie besch?ftigt sich Konnerth bereits seit über 10 Jahren.
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