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Aktuelles: ?Weniger als nichts“ – Teilchen mit negativer Masse entdeckt

Physiker der Universit?t Regensburg publizieren Ergebnisse in der international renommierten Fachzeitschrift ?Nature Communications“

17. September 2021, von Margit Scheid

Eine gro?e internationale Forschungskooperation unter der Leitung von Dr. Kai-Qiang Lin und Professor Dr. John Lupton vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universit?t Regensburg konnte erstmals den Effekt von Elektronen mit negativer Masse in neuartigen Halbleiter-Nanostrukturen messen. Das internationale Team umfasst Wissenschafler:innen aus Berkeley und Yale (USA), Cambridge (England) und Tsukuba (Japan).

Viele Sachen im Alltag kennen wir nur als positive Gr??e, das Gewicht eines Gegenstands zum Beispiel. Warum Materie grunds?tzlich positive Masse zu haben scheint, ist eines der ungel?sten R?tsel der Physik. An negative Zinsen hat man sich notgedrungen schon fast gew?hnt, aber was w?ren die Konsequenzen einer negativen Masse?

Die Newtonsche Mechanik beschreibt dies mit der bekannten Formel Kraft=Masse*Beschleunigung, oder F=m*a. Wirkt eine Kraft auf ein Objekt, so wird dieses beschleunigt. Aber Obacht! Schiebt man ein Auto mit negativer Masse an, so bewegt es sich auf einen zu. Ein Golfball negativer Masse, der ins Wasser f?llt, würde durch den Reibungswiderstand nicht abgebremst werden sondern immer schneller sinken!

Materie setzt sich grunds?tzlich aus drei Elementarteilchen zusammen, den Atomkernen mit schweren Protonen und Neutronen sowie den leichten Elektronen. ?blicherweise wird das Gewicht eines K?rpers durch die Atomkerne bestimmt. W?hrend die Masse der Kerne eine feste Gr??e sind, wird die effektive Masse der Elektronen durch die Zusammensetzung des Materials, in dem sie sich bewegen, bestimmt. Die Masse wirkt sich direkt auf die elektronischen Eigenschaften eines Materials aus.

Aus der Fahrschule wei? jeder, dass der Bremsweg quadratisch mit der Geschwindigkeit zunimmt. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 ist eine weitere Konsequenz von Newtons Formel: die Bewegungsenergie eines Objekts nimmt quadratisch mit der Geschwindigkeit v zu, E=1/2*m*v^2. Ist die Masse m nun negativ, so nimmt die Energie eines Teilchens, beispielsweise eines Elektrons, mit zunehmender Geschwindigkeit jedoch ab – der ?Bremsweg“ sinkt quasi!

Bewegt sich ein Elektron durch einen Stoff hindurch, kommt es regelm??ig zu Kollisionen. Wie beim Autofahren auch, führen solche St??e im Falle positiver Masse zu einer Verlangsamung der Bewegung. Das Elektron negativer Masse hingegen verliert dabei zwar ebenso Energie, wird aber beschleunigt. Genau diesen Effekt haben die Forscher nun erstmals beobachten k?nnen.

Die Regensburger Wissenschaftler verwendeten ein neuartiges Halbleitermaterial, ein einziges atomar dickes Blatt des Kristalls Wolframdiselenid. Wird das Material mit einem Laser bestrahlt, so beginnt es zu leuchten: ein Elektron nimmt die Energie des Lasers auf und gibt diese wieder in der charakteristischen Farbe Rot ab. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Farbe entspricht der fundamentalen Energie eines Elektrons im Halbleiter. Genauso wie Wasser stets bergab flie?t, erwartet man auch, dass Elektronen mit h?herer Energie stets diese niedrigere Grundenergie einnehmen und der Halbleiter somit immer rot erscheint.

Das Team konnte nun jedoch einen erstaunlichen Effekt beobachten. Unter Bestrahlung mit einem roten Laser geben die Elektronen nicht nur rotes Licht ab, sondern auch blaues. Rotes Licht niedriger Energie wird also in blaues Licht mit h?herer Energie umgewandelt. Durch eine genaue Betrachtung der farblichen Verteilung und Helligkeit dieses blauen Lichts, also des Lichtspektrums, l?sst sich schlie?en, dass das blaue Leuchten von Elektronen mit negativer Masse herrührt. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e verblüffende experimentelle Erkenntnis konnte mit detaillierten quantenmechanischen Rechnungen der sogenannten elektronischen Bandstruktur, die in dieser Form erstmalig durchgeführt wurden, belegt werden.

Gegenw?rtig mag es sich bei der Beobachtung noch um ein wissenschaftliches Kuriosum handeln, doch etliche Anwendungsm?glichkeiten schweben den Wissenschaftlern schon vor. So k?nnte das Konzept zur Entwicklung superschneller Computer, deren Elektronen sich nahezu widerstandsfrei bewegen, beitragen. Beim ?bergang von positiver zu negativer Masse entstehen zudem sogenannte Singularit?ten. Solche Singularit?ten – bekannt vom Taschenrechner, wenn man versucht, etwas durch Null zu teilen – sind den schwarzen L?chern der Kosmologie nicht ganz un?hnlich.

Schlie?lich sollte es auch aufgrund der Tatsache, dass die Elektronen im Halbleiter scheinbar diskrete Energiezust?nde einnehmen k?nnen, wie etwa in einem Atom auch, m?glich sein, Konzepte der atomaren Quantenoptik direkt auf den Halbleiter zu übertragen. Damit k?nnten etwa neue elektronische Bauelemente entwickelt werden, welche die Lichtwellenl?nge konvertieren, Licht speichern oder gar verst?rken, oder auch als optische Schalter fungieren.

Originalpublikation

K.-Q. Lin, C. S. Ong, S. Bange, P. E. Faria Junior, B. Peng, J. D. Ziegler, J. Zipfel, C. B?uml, N. Paradiso, K. Watanabe, T. Taniguchi, C. Strunk, B. Monserrat, J. Fabian, A. Chernikov, D. Y. Qiu, S. G. Louie, and J. M. Lupton, Narrow-band high-lying excitons with negative-mass electrons in monolayer WSe2, Nature Communications
DOI 10.1038/s41467-021-25499-2 (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Foto: Felix Hofmann
Illustration der negativen Masse anhand eines Golfballs im Wasserglas. Der Fall eines herk?mmlichen Golfballs wird durch das Wasser gebremst. Ein Golfball negativer Masse würde hingegen durch den Reibungswiderstand beschleunigt werden.

Kontakt aufnehmen

Prof. Dr. John Lupton

Universit?t Regensburg - Institut für Experimentelle und Angewandte Physik
Telefon: 0941 943-2081
E-Mail: john.lupton@ur.de
www.physik.uni-regensburg.de/forschung/lupton

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