Direkt zum Inhalt


Aktuelles: Es braucht nicht viele Gene, um komplex zu sein

Forscher der Universit?t Regensburg und der Universit?t Münster weisen Kompartimente und ihre Funktion in den Zellen von Prokaryonten nach

15. Juni 2021, von Kommunikation & Marketing

Wie komplex sind die Zellen von Prokaryonten wirklich? Für Zellen der Gattung Ignicoccus, Archaeen, die am Archaeenzentrum der Universit?t Regensburg im Jahr 2000 erstmals beschrieben wurden, war bereits bekannt, dass sie zwei Membranen und somit zwei Kompartimente aufweisen. Jetzt haben die beiden Forscher Dr. Jennifer Flechsler und Dr. Thomas Heimerl, aus den Teams von Dr. Harald Huber und Professor Dr. Reinhard Rachel (Lehrstuhl für Mikrobiologie / Archaeenzentrum und dem Zentrum für Elektronenmikroskopie der Universit?t Regensburg) sowie Professor Dr. Ivan Berg (Institut für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie der Universit?t Münster) zeigen k?nnen, dass in dem ?u?eren Kompartiment nicht nur die Energieerzeugung und -speicherung, sondern auch die gesamte CO2-Fixierung stattfindet. Ihre Erkenntnisse haben sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America ver?ffentlicht.

Die Ausnahme best?tigt die Regel. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e nicht gerade neue Erkenntnis gilt auch in der Biologie. Eine solch grunds?tzliche Regel dort lautet: die Zellen aller Eukaryonten, also aller h?herer Lebewesen wie Pilze, Algen, Pflanzen, Tiere (inclusive des Menschen), sind in mehrere R?ume unterteilt. Das sind von Membranen umgebene Strukturen, wie Zellkern, Mitochondrien, ggfs. Chloroplasten bei den Pflanzenzellen, Golgi-Apparat und Endoplasmatisches Retikulum. In der Eukaryonten-Zelle herrscht also "Ordnung" durch Aufteilung in "Unterr?ume", den Kompartimenten. Demgegenüber liegt in den Zellen der Prokaryonten, also Archaeen und Bakterien, alles in einem gro?en Sack vor, der von einer Membran (Zellmembran) umschlossen ist. Darin befinden sich die DNA, die verschiedenen RNA's, die Proteinbiosynthese-Maschinen (Ribosomen) und auch alle Enzyme, die für die verschiedenen Leistungen der Zelle ben?tigt werden. Allerdings kannte man schon einige wenige Vertreter innerhalb der Bakterien wie z.B. die Planctomyceten und die Anammox-Bakterien, bei denen es auch eine Unterteilung der Zellen in bestimmte Kompartimente gibt.

Ignicoccus ist komplizierter als andere Prokaryonten 
Bei der zweiten prokaryontischen Gruppe, den Archaeen, kennt man nur eine Gattung, mit Namen Ignicoccus (die ?Feuerkugel“), die Organismen mit inneren Strukturen aufweist. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e am Archaeenzentrum der Universit?t Regensburg im Jahr 2000 erstmals beschriebenen Organismen sind somit deutlich komplizierter als andere Prokaryonten aufgebaut und das, obwohl sie mit eines der kleinsten Genome (nur 1.4 Mio Basen) aller freilebenden Mikroben haben.
Ultradünnschnitte der Zellen deuteten auf einen besonderen Bauplan hin: es gibt in der Zelle zwei Membranen und nicht nur eine. Demzufolge musste es in der Zelle auch zwei Kompartimente geben, was sp?tere Strukturunter?suchungen in drei Dimensionen auch best?tigten (Heimerl et al. 2017 Front Microb 8:1072). Damit war auch gezeigt, dass es nicht viele Gene braucht, um eine Zelle mit Kompartimentierung, mit struktureller Komplexit?t zu bauen.


Jedoch war unklar, was in den unterschiedlichen Kompartimenten der Zelle wirklich ablief. In der Folge konnte gezeigt werden, dass die membrangebundene ATP-Synthase, die für die Erzeugung des ATP - der Energiew?hrung einer jeden Zelle - verantwortlich war, sich bei Ignicoccus ausschlie?lich in der ?u?eren Membran befindet (Küper et al. 2010 PNAS 107:3152). In der gleichen Membran befand sich ein weiterer Komplex mit fundamentaler Bedeutung für den Stoffwechsel in Ignicoccus: die Wasserstoff-Schwefel-Oxidoreductase, die die Energie für die ATP-Bildung in der Zelle bereitstellt. Damit war gezeigt, dass in dem ?u?eren Kompartiment die Energieerzeugung und -Speicherung erfolgt.

Weitere Stoffwechselwege m?glich?
百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Befunde waren Ausgangspunkt für eine weitere Fragestellung: kann es sein, dass in dem ?u?eren Kompartiment auch weitere Stoffwechselwege ablaufen? Konkret geht es um die Fixierung von CO2, die diese autotroph wachsenden Zellen durchführen müssen, um neue Zellbausteine, Kohlenhydrate, Aminos?uren und letztendlich DNA, RNA und Proteine aufbauen zu k?nnen. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e ?berlegungen stellen aber ein grunds?tzliches Problem für eine prokaryontische Zelle dar: üblicherweise werden alle Komponenten in demselben Kompartiment gebildet, in dem sie auch zum Einsatz kommen (da es ja nur eines gibt). Bei zwei Kompartimenten bedarf es aber mehrerer Transportsysteme, um einen Stoffaustausch zwischen ihnen zu gew?hrleisten. Kaum vorstellbar? - Nicht bei Ignicoccus! Für diese Zellen konnten jetzt zwei Forscher, Jennifer Flechsler und Thomas Heimerl, in den Teams von Dr. Harald Huber und Prof. Dr. Reinhard Rachel (Universit?t Regensburg) und Prof. Dr. Ivan Berg (Uni Münster) zeigen, dass in dem ?u?eren Kompartiment nicht nur die Energieerzeugung und -Speicherung sondern auch die gesamte CO2-Fixierung stattfindet.

Wichtige Prozesse im ?u?eren Kompartiment 

Dazu wurden die Gene für vier Enzyme dieses vor kurzem entdeckten CO2-Fixierungswegs identifiziert, die Enzyme in vitro synthetisiert und im Bakterium Escherichia coli produziert. Ihre katalytische Aktivit?t wurde im Labor nachgestellt und ihre subzellul?re Verteilung wurde unmittelbar durch Immunmarkierung an Ultradünnschnitten elektronenmikroskopisch dargestellt. Die Ergebnisse zeigen: in dem ?u?eren Kompartiment von Ignicoccus-Zellen finden grundlegend wichtige Stoffwechselwege statt, viel mehr als vermutet, und die Ergebnisse lassen postulieren, dass m?glicherweise in dem gleichen Kompartiment noch weitere, sich daran anschlie?ende Reaktionen stattfinden, z.B. erste Schritte in Richtung der Biosynthese von Aminos?uren, den Bausteinen für Proteine. Da die Synthese der Proteine selbst jedoch im Zell-Inneren an den Ribosomen stattfindet, ist zu postulieren, dass über die innere Zellmembran zahlreiche Transportvorg?nge stattfinden - für kleine Stoffwechselprodukte, aber auch für ganze Enzyme. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e Transportvorg?nge und ihre Regulation sind noch v?llig ungekl?rt.

Vorteile noch nicht v?llig klar
Was ist der Vorteil für Ignicoccus? Das ist noch nicht wirklich verstanden, aber zwei der Ausgangsprodukte für den - autotrophen - Stoffwechsel von Ignicoccus, CO2 und H2, werden bei Ignicoccus gleich im ?u?ersten Bereich der Zelle metabolisiert und in nicht-gasf?rmige Stoffwechselprodukte umgewandelt. Dabei entstehen Zwischenprodukte, die die DNA sch?digen k?nnten; diese liegt bei Ignicoccus jedoch geschützt im inneren Kompartiment vor. Dazu wird ATP, der energiereiche "Treibstoff" für den CO2-Fixierungszyklus, in der ?u?eren Membran hergestellt. Er ist dort in der h?chsten Konzentration vorhanden, wo er am meisten gebraucht wird. Das ist unmittelbar von Vorteil.
Ignicoccus dürfte noch für viele weitere ?berraschungen gut sein und damit reichlich spannende Fragestellungen für Forscher in der Zukunft bereithalten.

Publikation

Jennifer Flechsler, Thomas Heimerl, Harald Huber, Reinhard Rachel, and Ivan A. Berg. ?Functional compartmentalization and metabolic separation in a prokaryotic cell”;
PNAS - Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 2021
DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2022114118 (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Foto: Jennifer Flechsler und Reinhard Rachel, bearbeitet von Anthonie Maurer und Anita Hecht
Ignicoccus hospitalis, Ultradünnschnitt. An der ?u?eren Cytoplasmamembran (grün) findet die Energiekonservierung statt; im peripheren Kompartiment (rot) sind Enzyme des CO2-Fixierungswegs zu finden. Balken, 0.5 ?m.

Kontakt aufnehmen

Prof. Dr. Reinhard Rachel

Universit?t Regensburg – Zentrum für Elektronenmikroskopie
Tel.: 49 941 943-2837
E-Mail: reinhard.rachel@ur.de
/biologie-vorklinische-medizin/zentrum-elektronenmikroskopie/home/index.html

nach oben