Bereits im M?rz 2020 begann im Kultur-Schloss Theuern (externer Link, ?ffnet neues Fenster) nahe Amberg ein Experiment zur historischen Eisenerzeugung unter der Aufsicht von Dr. Martin Schreiner, Leiter des Bergbau- und Industriemuseums Ostbayern, und in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universit?t Regensburg.
Zum Einen war es Ziel des Experiments, historisch authentisches Schmiedematerial für weiterführende Versuchsreihen zu gewinnen, da sich die modernen Flussst?hle in vielerlei Hinsicht gravierend von den alten Renneisenwerkstoffen unterscheiden. Mit dem erzeugten Material sollen dann aussagekr?ftige Schmiedeexperimente durchgeführt werden. Zum Anderen will man historische Eisengewinnungsverfahren neu verstehen. Zwar sind das Vorgehen und die chemischen Prozesse bei der Verhüttung in Rennfeuern und Renn?fen heute weitestgehend bekannt, jedoch sind keinerlei Informationen überliefert, wie man durch Feintuning beim Vorgang oder den Materialien das Ergebnis beeinflussen kann. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网er Erfahrungsschatz soll nun durch m?glichst viele authentische Verhüttungsexperimente erneut gesammelt werden, um eine solide Basis für weitere Forschungen zu schaffen.
Der Rennprozess war im europ?ischen Raum vom Anbruch der Eisenzeit im 8. Jahrhundert v. Chr. bis in das Sp?tmittelalter (ca. 1250 bis 1500 n. Chr.) die g?ngige Methode, um schmiedbares Eisen zu erhalten. Eine Variante zeichnet sich hierbei dadurch aus, dass ein Ofenschacht aus Lehm, Stroh und Zweigen über einer Grube errichtet und mit Holzkohle und Eisenerz befüllt wird. Nach dem Anfeuern des Rennofens wird mit Blaseb?lgen über Tondüsen Luft zugeführt, wodurch im Inneren Temperaturen von 1200 bis 1400 °C erreicht werden k?nnen. Holzkohle und Eisenerz müssen im Laufe der Ofenreise – der Prozess von der Anbrandphase bis zum Ende der Verhüttung – nachgeschichtet werden, damit nach mehreren Stunden im unteren Bereich des Ofens die schwammartige Luppe entsteht. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网e muss sofort nach der Bergung zun?chst von der sie umgebenden Schlacke befreit werden. Beim Experiment von Dr. Martin Schreiner wurde auf diese Art aus 40 kg Eisenerz und 100 kg Holzkohle eine ca. 9 kg schwere Luppe gewonnen.
Aufgrund pandemiebedingter Pausen konnte das Experiment nicht wie geplant im Frühjahr 2020 komplett durchgeführt werden. Erst im Juli konnte es mit dem Ausbrennen des Ofens weitergehen und am 27. September die tats?chliche Verhüttung in kleiner Runde im Rahmen der etwa achtstündigen Ofenreise stattfinden. Die ca. 9 kg schwere Luppe wurde unmittelbar nach der Bergung über einem Holzblock von anhaftenden Schlackeresten befreit und prim?rverdichtet, um sie entsprechend für die in der Schmiedewerkst?tte noch folgenden Aufwertungsverfahren vorzubereiten. Im Kontext des so genannten Ausheizens und Raffinierens wird nach der Sch?tzung von Dr. Martin Schreiner 2 bis 3 kg kompakter, gut formbarer Schmiedewerkstoff entstehen, was für das Verhüttungsexperiment in der Gesamtschau ein au?erordentlich solides Ergebnis darstellt.
Parallel zum Experiment entstanden zwei Filme: Eine Dokumentation über Renneisen und ein Imagefilm zum Museum, die beide voraussichtlich im Sommer 2021 ver?ffentlicht werden. Zus?tzlich soll eine Sonderausstellung zum Thema ?Eisenerzeugung und -verarbeitung bei Kelten, R?mern und Germanen“ mit der Hilfe von Studierenden der Universit?t Regensburg entstehen. Auch in Zukunft will Dr. Martin Schreiner die Kooperation mit dem Lehrstuhl für Alte Geschichte fortführen und das Museum als Zentrum für experimentalarch?ologische Eisenforschung etablieren.
Thomas Oberst
, Jahrgang 1992, Student im Masterstudiengang ?Geschichte: Europ?ische Gesellschaften im Wandel“ an der Universit?t Regensburg unterstützt seit 8. M?rz 2021 den Bereich Kommunikation & Marketing als Praktikant. Dabei berichtet er u. a. über aktuelle Forschungsprojekte am Institut für Geschichte.
Bisher in dieser Reihe erschienen:
- Die Ursprünge der Umweltbewegung in Deutschland
- Zwischen Hofberichterstattung und ?ffentlichkeitsarbeit – Dissertationsprojekt über die erstaunlich fortschrittlichen Methoden der Thurn und Taxis-Post Mitte des 19. Jahrhunderts
- ?Wilde“ im deutschen Identit?tsdiskurs 1830-1870. Spuren des Exotischen im nationalen Denken und in kolonialen Bildern