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Aktuelles: Social Distancing im Nanokosmos

Forscher:innen an der Universit?t Regensburg konnten zum ersten Mal die Bewegung von Elektronen von einer atomar dünnen Schicht in eine andere mit Nanometer-Aufl?sung beobachten. Und das kontaktfrei. Das neue Nanoskopie-Verfahren, das gro?es Potential in der Untersuchung von leitenden, nichtleitenden und supraleitenden Materialien hat, wird in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature Photonics vorgestellt.

13. Mai 2021, von Kommunikation & Marketing

Nanotechnologie klingt manchmal wie Science Fiction, dabei ist sie bereits fester Bestandteil moderner Elektronik in unseren Computern, Smartphones oder im Auto. Strukturgr??en elektronischer Bauteile, wie Transistoren oder Dioden, bewegen sich l?ngst im Nanometerbereich, einem Millionstel-Bruchteil eines Millimeters. Konventionelle Lichtmikroskope reichen nicht aus, um solche Bauteile zu inspizieren. Um innovative Nanotechnologie der Zukunft zu entwickeln, werden in der Wissenschaft deshalb viel aufw?ndigere Mikroskope, wie Elektronen- oder Raster-Tunnel-Mikroskope, eingesetzt. Allerdings k?nnen die zur Detektion verwendeten Elektronen das zu untersuchende System selbst stark beeinflussen. Zudem sind wichtige Verfahren auf die Messung elektrisch leitf?higer Proben beschr?nkt.


Ein Physikforschungsteam um Professor Dr. Rupert Huber und Professor Dr. Jaroslav Fabian am Regensburg Center for Ultrafast Nanoscopy (RUN) der Universit?t Regensburg haben nun gemeinsam mit Kolleg:innen aus den USA und Gro?britannien eine neue Methode vorgestellt, welche Elektronenbewegung auf der Nanometerskala nicht nur kontaktfrei aufl?sen und damit auch isolierende Proben untersuchen kann: Die Methode erreicht zudem eine unvorstellbar hohe Zeitaufl?sung von Femtosekunden, also Billiardstelsekunden. Sie kann damit mikroskopische Zeitlupenfilme von ultraschneller Elektronenbewegung auf der Nanoskala aufzeichnen.


Das Prinzip funktioniert ?hnlich dem kontaktlosen Bezahlen, das sp?testens seit der Pandemie zum Alltag geh?rt (Chipkarte, Handy, Scanner). Auf der Makroskala sind dafür standardisierte Frequenzen und Protokolle etabliert, z. B. NFC – Near Field Communication. Die Forscher:innen übertrugen diese Idee nun auf die Nanoskala. Dazu verwendeten sie eine scharfe Metallspitze als Nano-Antenne, die sie in die N?he der zu untersuchenden Struktur brachten. Im Gegensatz zu existierenden Methoden, in denen über scharfe Spitzen Strom durch die Probe getrieben wurde, tastet im neuen Verfahren ein schwaches elektromagnetisches Wechselfeld die Probe kontaktfrei ab. Die verwendete Frequenz liegt hierbei im Terahertz-Bereich, etwa 100.000-mal h?her als in NFC-Scannern. Kleinste ?nderungen in den schwachen elektrischen Feldern erlauben dann pr?zise Rückschlüsse auf die lokale Elektronenbewegung im Material. Eine realistische Quantentheorie zeigt, dass dieses Verfahren auch quantitative Aussagen erm?glicht. Um zudem hohe Zeitaufl?sung zu erreichen, benutzten die Physiker und Physikerinnen extrem kurze Lichtblitze, mit denen scharfe Schnappschüsse der Bewegung von Elektronen über Nanometer-Distanzen gemacht
werden k?nnen.


Als erstes Untersuchungsobjekt w?hlte das Team eine Probe aus einer neuen Klasse von schichtartig gewachsenen Festk?rpern, sogenannten Dichalkogeniden, die in atomar dünnen Lagen hergestellt werden k?nnen. Wenn solche Schichten unter frei w?hlbaren Winkeln aufeinandergestapelt werden, entstehen künstliche Festk?rper mit ganz neuartigen Materialeigenschaften, die in Regensburg prominent im Rahmen des Sonderforschungsbereich 1277 erforscht werden. In der untersuchten Probe wurden zwei unterschiedliche atomar dünne Dichalkogenide gestapelt, um das Herzstück einer futuristischen Solarzelle zu testen. Wenn diese Struktur mit grünem Licht bestrahlt wird, bilden sich Ladungstr?ger, die je nach Polarit?t entweder in eine oder in die andere Richtung wandern – das Grundprinzip von Solarzellen, wo Licht in Strom umgewandelt wird. Die ultraschnelle Separation der Ladungstr?ger in die beiden Schichten konnten die Forscherinnen und Forscher nun sowohl in der Zeit als auch r?umlich mit Nanometer-Aufl?sung beobachten. Zu ihrer ?berraschung entdeckten sie, dass Ladungstrennung selbst dann noch zuverl?ssig funktioniert, wenn die Festk?rperschichten sich wie ein Miniteppich über winzige Verunreinigungen auf dem Substrat legen – wichtige Einsichten, um diese neuen Materialien für ihren zukünftigen Einsatz als Solarzellen oder Computerchips fit zu machen.


Die Euphorie des Forschungsteams ist kaum zu bremsen: ?Als n?chstes wollen wir uns gleich weitere faszinierende Ladungstransferprozesse in Isolatoren, leitenden und sogar supraleitenden Materialien vornehmen“ erkl?rt Markus Plankl, der Erstautor der Publikation. Professor Dr. Rupert Huber erg?nzt: ?Das neue Verfahren kommt genau zur richtigen Zeit. Neben künstlichen Nanostrukturen aus der Physik k?nnten nun auch bislang unzug?ngliche Quantenvorg?nge in biologischen Systemen visualisiert werden.“ Das derzeit im Bau befindliche neue RUN-Geb?ude auf dem Uni-Campus bietet in jedem Fall das bestm?gliche Umfeld für eine solche interdisziplin?re Erforschung des Nanokosmos.


Originalpublikation

M. Plankl, P. E. Faria Junior, F. Mooshammer, T. Siday, M. Zizlsperger, F. Sandner, F. Schiegl, S. Maier, M. A. Huber, M. Gmitra, J. Fabian, J. L. Boland, T. L. Cocker and R. Huber, ?Subcycle contact-free nanoscopy of ultrafast interlayer transport in atomically thin heterostructures“, Nature Photonics (2021)
DOI: 10.1038/s41566-021-00813-y
https://dx.doi.org/10.1038/s41566-021-00813-y (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Abbildung ?Markus Plankl (2021)
Künstlerische Darstellung von Interlagen-Exzitonen (gl?serne Ellipsoide), die sich bilden k?nnen, wenn Elektronen und L?cher (rote und blaue Kugeln) zwischen optisch angeregten atomar dünnen Festk?rperschichten (obere und untere Lage) getrennt werden. Der Lebenszyklus von der blitzschnellen Entstehung bis zur Rekombination solcher Ladungstr?ger- Paare kann kontaktfrei mit Hilfe schwacher elektromagnetischer Felder (Schwingung von Elektron und Loch) auf der Nanoskala untersucht werden.

Kontakt aufnehmen

Prof. Dr. Rupert Huber

Lehrstuhl für Experimentelle und Angewandte Physik
Universit?t Regensburg
Telefon: 0941 943-2071
E-Mail: rupert.huber@ur.de
http://www.physik.uni-regensburg.de/forschung/huber/home.html

Prof. Dr. Jaroslav Fabian

Lehrstuhl für Theoretische Physik
Universit?t Regensburg
E-Mail: jaroslav.fabian@ur.de
http://www.physik.uni-regensburg.de/forschung/fabian/index.html

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