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Aktuelles: ?Berlin ohne Mietspiegel und Mietpreisbremse“

Nach geltendem Bundesrecht ist Berlins neuer Mietspiegel ungültig – mit weitreichenden Folgen für Mieter und Vermieter. Mieter- und Vermieterorganisationen sollten jetzt einen einfachen Mietspiegel erstellen, fordert Prof. Dr. Steffen Sebastian.

11. Mai 2021, von Kommunikation & Marketing

Am 6. Mai 2021 hat der Berliner Senat einen neuen Mietspiegel ver?ffentlich, den er als sogenannten qualifizierten Mietspiegel ansieht. Tats?chlich ist dieser eine zweite Fortschreibung des Mietspiegels 2017. Nach geltendem Bundesrecht ist aber nur eine einmalige Fortschreibung erlaubt.

Bereits in der Vergangenheit wurde h?ufig vor Gericht darüber gestritten, ob die jeweiligen Berliner Mietspiegel qualifiziert sind oder nicht. Qualifizierte Mietspiegel müssen nach anerkannten wissenschaftlichen Anforderungen erstellt werden. Prof. Dr. Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universit?t Regensburg und Sachverst?ndiger im Deutschen Bundestag für die bundesweite Mietspiegelreform, erl?utert: ?Kein anderer qualifizierter Mietspiegel wurde vor Gericht so h?ufig zum ?einfachen‘ Mietspiegel degradiert wie der Berliner. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 sollte zumindest zum gründlichen Nachdenken anregen. Es ist ja schlie?lich nicht die Schuld der Kl?ger, wenn die Berliner Mietspiegel wiederholt einer gerichtlichen ?berprüfung nicht standhalten.“

Ein einfacher Mietspiegel bietet Mietern und Vermietern einen deutlich geringeren Rechtsschutz. Jedoch schützt ein einfacher Mietspiegel immer noch besser als gar keiner. Nach neuer Rechtslage ist die Mindestanforderung an einen einfachen Mietspiegel, dass er aus den Mieten eines Sechs-Jahres-Zeitraums berechnet wird, so eine jüngste Ver?ffentlichung des ehemaligen Richters Rudolf Beuermann. Der neue Berliner Mietspiegel 2021 erfüllt aber noch nicht einmal diese Anforderung und ist damit weder ein qualifizierter noch ein einfacher Mietspiegel. Da die Gültigkeit des alten Mietspiegels 2019 ausl?uft, ist Berlin ab diesem Donnerstag, den 13.05.2021, ohne gültigen Mietspiegel.

Das hat weitreichende Folgen für Mieter und Vermieter. ?Gut organisierte Gro?vermieter, die drei passende Vergleichsmieten finden k?nnen, dürfen mit diesen Mieten ab Donnerstag auch Mieterh?hungen weit über dem Niveau des Mietspiegels begründen“, sagt Sebastian. ?Private Kleinvermieter k?nnen hingegen weder den Mietspiegel 2019 noch 2021 anwenden, da eine Mieterh?hung dann formal unbegründet w?re. Ein Mieter müsste dann nicht zustimmen. Mieter und private Kleinvermieter verlieren gleicherma?en.“

Auch bei Neuvermietungen k?nnte es zu deutlichen Preissprüngen kommen. Denn wahrscheinlich sind die Berliner Mieter diese Woche auch nicht mehr durch die Mietspreisbremse geschützt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2019 und der einschl?gigen Kommentarliteratur ist Voraussetzung, dass Mieter und Vermieter in zumutbarer Weise die gesetzlich zul?ssige Miete ermitteln k?nnen. Gibt es keinen Mietspiegel, so ist es zweifelhaft, ob die Mietpreisbremse verfassungsgem?? ist. Professor Sebastian hierzu: ?Ohne gültigen Mietspiegel l?uft die Mietpreisbremse bereits de facto ins Leere. Dazu ist auch noch fraglich, ob die Regelung ohne Mietspiegel überhaupt verfassungsgem?? ist. Der Mieterschutz ist in Berlin ab Donnerstag stark eingeschr?nkt. Das w?re vermeidbar gewesen.“

Zu alledem hat das Anerkennungsverfahren des Mietspiegels 2021 wohl auch noch einen wesentlichen Formfehler. In den einschl?gigen Mietrechtskommentaren wird seit langem davon ausgegangen, dass die Anerkennung nur durch die kommunale Volksvertretung erfolgen kann, so etwa nachzulesen bei Ulf B?rstinghaus, Schmidt-Futterer, Mietrecht, Rn. 80 zu §558d BGB. Ein entsprechender Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses fehlt aber.

?In der aktuellen Lage besteht dringender Handlungsbedarf. Plan B zum gescheiterten Mietendeckel war der Mietspiegel 2021. Einen Plan C hat der Senat nicht. Es ist zu erwarten, dass der Senat erst dann wieder aktiv wird, wenn der aktuelle Mietspiegel 2021 vor Gericht gekippt wird. Bis dahin wird es in der unklaren Rechtslage eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten geben. Soweit sollten es Mieter- und Vermietervereine im Interesse ihrer Mitglieder nicht kommen lassen. Mieter- und Vermieterorganisationen sollten sich zusammensetzen und gemeinsam einen einfachen Mietspiegel für Berlin erstellen. Das ist – guten Willen der Parteien vorausgesetzt – in wenigen Wochen machbar. Denn bei einem einfachen Mietspiegel k?nnen auch Sekund?rdaten verwendet werden, die nicht extra erhoben werden müssen. Ein solcher einfacher Mietspiegel w?re in jedem Fall gültig. Dann h?tte Berlin zwei Mietspiegel. Das w?re sicherlich nicht ideal. Aber immer noch besser als gar keinen“, sagt Sebastian.


?ber Prof. Dr. Steffen Sebastian

Prof. Dr. Steffen Sebastian ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS International Real Estate Business School der Universit?t Regensburg und Research Associate am Zentrum für Europ?ische Wirtschaftsforschung (ZEW). Als Vorsitzender der gif-Mietspiegelkommission begleitet er seit mehreren Jahren die Mietspiegelreform aus wissenschaftlicher Sicht. Aktuell hat ihn der Deutsche Bundestag als Sachverst?ndiger für das parlamentarische Verfahren zur Mietspiegelreform und weiterer mietrechtlicher Reformvorschl?ge bestellt.
Bildunterschrift:Prof. Dr. Steffen SebastianFoto: Christian Buck, www.ch-buck.de Zur ausschlie?lichen Verwendung im Rahmen der Berichterstattung zu dieser Pressemitteilung.

Kontakt aufnehmen

Prof. Dr. Steffen Sebastian

Universit?t Regensburg
IREBS International Real Estate Business School
Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung
Telefon: 49 (941) 943-5080
E-Mail steffen.sebastian@irebs.de

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