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Aktuelles: Raus aus der Bescheidenheit

Im Gespr?ch mit Professorin Dr. Isabella von Treskow und PD Dr. Miriam Banas über Mentoring für junge Wissenschaftlerinnen

09. Juni 2021, von Kommunikation & Marketing

Am 10. Juni 2021 verleiht das Team der Universit?tsfrauenbeauftragten beim Festakt Mentoring.UR die Zertifikate an zw?lf Teilnehmerinnen des universit?ren Mentoringprogramms für hervorragende Nachwuchswissenschaftlerinnen. Das Programm Mentoring.UR, operativ umgesetzt und begleitet von der Koordinationsstelle Chancengleichheit & Diversity, haben mit der nun abschlie?enden sechsten Staffel knapp 120 Mentees durchlaufen. Es begleitet mit Coaching und Trainings ihre wissenschaftliche und berufliche Laufbahn ebenso wie ihre Pers?nlichkeitsentwicklung.

All das geschieht bedarfsorientiert und individuell, denn: ?Nachwuchswissenschaftlerin ist nicht gleich Nachwuchswissenschaftlerin“, zitiert PD Dr. Miriam Banas, stellvertretende Universit?tsfrauenbeauftragte mit Schwerpunkt Nachwuchsf?rderung, das Gleichstellungskonzept der UR – ein Moment, das ihr besonders wichtig ist: Denn nur individuell zugeschnittene F?rderung sei bestm?gliche F?rderung. Für die Universit?tsfrauenbeauftragte Professorin Dr. Isabella von Treskow besteht der Reiz des Programms nicht zuletzt gerade in der fachlichen Breite: ?Was Mentoring.UR so attraktiv macht, ist die Tatsache, dass es die ganze Bandbreite der F?cher und Disziplinen der UR umfasst - von der Biochemie zur Arch?ologie, von der Physik zur Rechtswissenschaft.“

Welchen Kontext hat die Nachwuchsf?rderung im Portfolio der Universit?tsfrauenbeauftragten?

Isabella von Treskow: Nach der Promotion verlassen überdurchschnittlich viele Frauen das Feld der Wissenschaft, trotz interessanter Entwicklung und hervorragender Qualifikationen. Das schl?gt sich in vielen Berufungsverfahren darin nieder, dass die Zahl habilitierter Wissenschaftlerinnen vergleichsweise weniger hoch ist. Einer der Gründe: Es werden in einigen Bereichen und insgesamt, auf Deutschland gesehen, überwiegend Stellen zur Promotion oder Habilitation eher an Wissenschaftler als an Wissenschaftlerinnen vergeben. Das hat Auswirkungen auf Karrieren und auf Neuberufungen. Wenn die Universit?ten den Anteil an Bewerberinnen in Berufungsverfahren erh?hen wollen, wenn die Universit?t Regensburg parit?tisch besetzte Gremien, wenn sie mehr Wissenschaftlerinnen in wichtigen ?mtern und Leitungsfunktionen will, dann müssen diese früher und st?rker in der Community eingebunden werden, vernetzt, beim Aufbau von Management und Führungskompetenzen unterstützt. Sie erkennen: Die Nachwuchsf?rderung und die Erh?hung des Anteils an Professorinnen an den Universit?ten stehen in engem Zusammenhang. Im Hochschulentwicklungsplan 2025 sind einige gro?e Aktionsfelder aufgeführt. Nachwuchsf?rderung von Wissenschaftlerinnen ist eines davon und es wird an unserer Universit?t auf sehr hohem Niveau ?beackert“.

Welche Erfolge erzielen Programme wie Mentoring.UR?

Isabella von Treskow: Sie erm?glichen hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen die gezielte Steuerung und Entwicklung der Karriere, etwa mit Blick auf die n?chste Qualifikationsstufe oder auf Berufungsverfahren. Viele aus den ersten Staffeln des Programms sind jetzt erfolgreich habilitiert oder Professorinnen. Andere haben Führungspositionen im Wissenschaftsmanagement oder in au?eruniversit?ren Berufsfeldern. Aus Sicht der Fakult?ten und der Universit?t zeigt sich generell die F?rderung exzellenter Wissenschaftlerinnen am anderen Ende auch in den Berufungsverfahren, von denen derzeit wegen des Generationswechsels besonders viele stattfinden.

百利宫_百利宫娱乐平台¥官网bezüglich freuen wir uns besonders auf den Festvortrag meiner Kollegin Frau Professorin Dr. Annette Keilhauer, die zum Thema ?Gender Biases in der Personalauswahl“ sprechen wird.

Miriam Banas: Hinzufügen sollte man: Je mehr Universit?ten solche Programme haben, umso gr??er w?re der Erfolg, denn jede Universit?t bildet den hochqualifizierten Nachwuchs für die anderen Universit?ten aus. Regensburg übernimmt hier eine Vorreiterrolle – selbst gr??ere und ?ltere Hochschulen verfügen oftmals nicht über eine solche Bandbreite an Frauenf?rderprogrammen wie wir. Mentoring.UR ist nur ein Baustein der Frauenf?rderung an der UR. Wir vergeben unabh?ngig davon Stipendien für Nachwuchswissenschaftlerinnen, Sach- und Reisekostenzuschüsse, haben das Coaching-Programm ?Klar Schiff für meine Karriere“, den Wissenschaftlerinnensalon und verschiedene Trainings wie das Berufungstraining.

Was macht gute Mentor:innen aus?

Miriam Banas: Das ist individuell. Ich selbst war Mentee in der Staffel 2011/12; damals suchte man sich selbst einen Mentor oder eine Mentorin, hat mit dieser Person eine Zielvereinbarung aufgesetzt. Nun entwickelt sich das strukturierter: Es gibt ein erstes Coaching, ein Seminar, in dem man definiert: Wo will ich hin, was sind meine Ziele? Wer kann mir bei deren Verwirklichung am besten weiterhelfen? Der Bedarf kann ganz unterschiedlich sein. Manche Frauen suchen eine Kooperationsm?glichkeit, Hilfe bei Publikationen und Antragsstellungen, andere sind auf der Suche nach methodisch anderen Umfeldern oder Lehrstühlen, wieder andere ben?tigen Rat, wie man Familie und Karriere vereinbart. Davon wird letztlich die Wahl der Mentorin bzw. des Mentors gepr?gt. Was ist gut, was ist schlecht? Das l?sst sich daher nicht pauschal beantworten. Das ist extrem individuell.

Gibt es Bereiche, in denen der Bedarf h?her ist als in anderen? Methodische Fragen, der Weg in bestimmte Forschungsgruppen – gibt es Schwerpunkte, die sich herauskristallisieren?

Miriam Banas: Das h?ngt nicht zuletzt von dem Moment ab, an dem mit Mentoring begonnen wird und natürlich der Fachrichtung. Ein guter Zeitpunkt ist der Beginn der Karrieren, in einigen wissenschaftlichen Bereichen etwa kurz vor ersten gro?en Antragstellungen. In der Medizin liegt der Schwerpunkt da vielleicht eher auf wissenschaftlichem Arbeiten und Netzwerkbildung. Aber in den Geisteswissenschaften ist das, glaube ich, ganz anders…

Isabella von Treskow: Hier ist ein Moment oft der am Ende der Promotion oder kurz danach, w?hrend überlegt wird, ob eine Habilitation angestrebt wird. Das ist sozusagen das Nadel?hr, da wird es existentiell. Hier müssen wir die wissenschaftlich ausgewiesenen Frauen unterstützen, damit sie den Schritt zur Habilitation gehen, vor allem wenn sie für die Forschung ?brennen“. Hier wollen wir begleiten, Rat geben, etwa, was das Netzwerken angeht. Hochqualifizierte gut zu begleiten, so dass sie frühzeitig entschieden die richtigen Schritte gehen - daran kann man gar nicht genug arbeiten. Oft ist Familiengründung ein Thema. Work-Life-Balance kommt heute auch oft ins Spiel, man ist vielfach nicht mehr so selbstausbeuterisch, sondern klüger. Das gilt selbstverst?ndlich auch für die Promovierenden im Programm, die sich in dieser etwas früheren Phase befinden.

Wie kreativ lassen sich die Bausteine des Programms kombinieren? Sie bieten Trainings und Coachings an. Wie ver?ndert sich das Angebot von Staffel zu Staffel? Was geht, was bleibt?

Miriam Banas: Das Programm, das aus dem Komplex von Mentoring-Beziehung, Coaching, Training und Networking zusammengefügt ist, hat sich in den vergangenen Jahren inhaltlich bew?hrt. Man muss hier unbedingt Personen erw?hnen: Die frühere Universit?tsfrauenbeauftragte Professorin Dr. Susanne Modrow, die jetzige Vizepr?sidentin der Universit?t Regensburg Professorin Dr. Ursula Regener, die Gesch?ftsführende Referentin der Koordinationsstelle Chancengleichheit & Diversity, Christina Decker, die das Programm seit vielen Jahren betreut und weiterentwickelt hat. Da wurde Au?erordentliches geleistet und gerade auch durch die hochkar?tigen externen Trainer:innen und Coaches stark professionalisiert. Das will ich stark unterstreichen. Vieles ist gewachsen, insbesondere bei den verpflichtenden Bestandteilen, aber auch bei der Flexibilit?t des Angebots. Was sich bew?hrt, bleibt. Workshops etwa, in denen die Lebens- und Berufsplanung reflektiert wird und wie sich das mit den Vorhaben der Zukunft in Einklang bringen l?sst. Es gibt aber auch optionale Bestandteile, die inhaltlich variieren: Trainings zu Führungskompetenz und Konfliktmanagement etwa oder zu Rhetorik und Selbstpr?sentation. Dass wir diese Staffel auch durch die hohe Motivation der Mentees vollst?ndig digital durchführen konnten, war ein Glücksfall.

Ist das Programm elit?r? Was sagen Sie Kritiker:innen, die fragen, warum hier einzelne Frauen für viel Geld Trainings bekommen – und M?nner eben nicht?

Miriam Banas: Wir sprechen hier von Geldern, die speziell dazu zur Verfügung gestellt werden, Frauen auf dem Weg zur Professur zu unterstützen. Richtig ist natürlich, wir k?nnen leider nicht alle gleich unterstützen. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hat uns verbindlich vorgegeben, mehr Professuren mit Frauen zu besetzen. Auch die F?rderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen steht als Ziel fest. Das Land gibt uns einen Auftrag, es stellt dafür auch Mittel bereit, die nur zu diesem Zweck ausgegeben werden k?nnen. Au?erdem hat die damalige Universit?tsfrauenbeauftragte, Professorin Dr. Ursula Regener, mit dem Professorinnenprogramm III Bundesmittel in gro?er H?he eingeworben, die ebenfalls verwendet werden. Wichtig ist aber auch: Wen wir in das Programm aufnehmen, h?ngt letztlich von der Motivation der einzelnen Personen ab. Das Programm ist nicht elit?r, aber eben exklusiv. Allerdings darf auch hier wieder nicht vergessen werden, dass Mentoring.UR nur ein Programmstrang der Frauenf?rderung an der UR ist und viele Veranstaltungen und Programme allen Nachwuchswissenschaftlerinnen zur Verfügung stehen. Alle Informationen zu den verschiedenen Programmen finden sich übrigens auch auf unserer Homepage und in unserem Newsletter.

Isabella von Treskow: Ich halte das Programm auf seine Weise für egalit?r. Wer teilnehmen will, muss Wissenschaftsaffinit?t nachweisen, und sehr guten Wissenschaftlerinnen wird dies auf jeden Fall gelingen. Wie Miriam Banas sagt: Die Motivation ist entscheidend: Nimmt man das Programm ernst? Geben die Teilnehmerinnen auch Input an die Universit?t und an andere Mentees zurück? Es werden Durchhalteverm?gen und Investition in die Sache honoriert. Au?erdem: Das Programm hat viele gute Elemente, die sich in andere Formate übertragen lie?en. Warum gibt es ein solches Programm oder Elemente desselben nicht für gemischte Gruppen? Daran w?re durchaus zu denken. Ich befürworte das ausdrücklich.
Miriam Banas: Es gibt zum Beispiel in der Medizin sehr viele Mentoring-Programme für M?nner und Frauen. Ich beobachte das in meiner medizinischen Fachgesellschaft. Dort betreue ich Programme für Assistenz?rzt:innen und Ober?rtz:innen. Viele profitieren davon, schaffen es sogar in Klinikleitungen. Zahlreiche Kolleg:innen nutzen die Angebote privater Coachings in der Medizin.

Wird eine weitere Staffel von Mentoring.UR aufgelegt?

Isabella von Treskow: Ja. Die Nachfrage ist da, es gibt viele junge Wissenschaftlerinnen, die auf das Programm warten und Pl?ne für eine Fortsetzung entstehen bereits.

Was sind priorit?re Themen der Universit?tsfrauenbeauftragten in der nahen Zukunft? Worauf fokussieren Sie sich aktuell?

Isabella von Treskow: Zum einen auf die Selbstaufkl?rung aller Mitglieder der Universit?t, was Ausgewogenheit, Rollenerwartungen, Erfüllungen von Erwartungen, Wahrnehmungsverzerrungen und universit?re Praxis angeht. Nicht allein um Frauen geht es dabei, sondern auch um Erwartungen an M?nner, um die Strukturen, in denen wir leben. Mit den Studierendenvertreter:innen gab es dazu schon einige gute Gespr?che, unter anderem im Rahmen der Veranstaltungen zum Weltfrauentag am 8. M?rz. In den Gremien kommt das Thema ebenfalls zur Sprache. Zum anderen, mehr in die Zukunft gedacht: Wir m?chten im Bereich der Nachwuchsf?rderung in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften noch mehr in Richtung Networking im jeweiligen Fach und in Richtung Internationalisierung unternehmen. Auch frühzeitiges Denken an Wissenschaftskommunikation ist wichtig, gerade bei denen, die nicht im Verbund forschen. Wie kommuniziert man die eigene Expertise, die eigene Forschung an andere? Das sind Elemente, die auf die sp?tere T?tigkeit als Professorin vorausweisen. Denn auch die Qualifikation für Professuren ist in Ver?nderung begriffen. Mit Blick auf die Zukunft müssen wir schon ab dem Zeitpunkt der Promotion strukturelle Ver?nderungen mitdenken.

Miriam Banas: Drei Punkte auf meiner Agenda knüpfen hier an. Ich würde mich freuen, wenn wir spezifische, verkürzte Programmstr?nge anbieten k?nnten. Dann lie?en sich auch noch sehr viel mehr Frauen f?rdern. Das zweite Stichwort ist Networking, das Isabella von Treskow auch ansprach: Formate wie unser Wissenschaftlerinnensalon, der bis jetzt wegen Corona ausfallen musste. Der dritte Bereich ist für mich der der Internationalit?t – es gibt zwar Reisestipendien für kurze Auslandsaufenthalte, aber es w?re sch?n, wenn noch mehr Wissenschaftlerinnen internationale Erfahrungen sammeln würden. Ich halte das für den akademischen Lebensweg in vielen F?chern für sehr wichtig.

Hat sich in den vergangenen 20 Jahren hier so wenig ver?ndert? Muss man weiterhin an den gleichen Stellen bohren? Frauen st?rker vernetzen, ihnen mehr Internationalit?t in der Karriere erm?glichen?

Isabella von Treskow: Selbst, wenn schon viel passiert ist – es ist noch lange nicht genug. Im 19. Jahrhundert wurden die Frauen ins Haus, in die Bescheidenheit gedr?ngt. Die Frauenbewegung in Europa hat in den 1960er Jahren zwar richtig Schwung genommen und es wurde wirklich sehr viel erreicht. Die Spuren in der Sozialisation sind jedoch noch zu erkennen: Risikobereitschaft von M?dchen wird zum Beispiel nach wie vor nicht unbedingt gefordert oder verst?rkt. Das spiegelt sich in instinktiven Entscheidungen, in dem, was man sich zutraut. Umgekehrt haben wir es mit bestimmten Rollenvorstellungen zu tun.

Miriam Banas: Solange kinderlose Frauen in Berufungsverfahren gefragt werden, wie sie einen gro?en Lehrstuhl führen wollen, wenn ihnen die Empathie-Erfahrung aus dem Familienverbund fehlt, ist noch nicht genug passiert…


Weiterführende Informationen

Universit?tsfrauenbeauftragte sind Professorin Dr. Isabella von Treskow, PD Dr. Miriam Banas und Professorin Dr. Ute Leimgruber. www.go.ur.de/ufb (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Mentoring.UR ist in der Koordinationsstelle Chancengleichheit & Diversity angesiedelt; Programmkoordination hatte in den letzten beiden Runden die gesch?ftsführende Referentin der Universit?tsfrauenbeauftragten Christina Decker. www.go.ur.de/mentoring-festakt2021 (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

Foto ? Petra Homeier
Prof. Dr. Isabella von Treskow.
Foto ? DGfN
PD Dr. Miriam Banas.

Kontakt aufnehmen

Prof. Dr. Isabella von Treskow

Fakult?t für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften
Lehrstuhl für Romanische Philologie I
Telefon 49 941 943-3373
E-Mail: isabella.von-treskow@ur.de

PD Dr. Miriam Banas

Universit?tsklinikum / Fakult?t für Medizin
Abteilung für Nephrologie
Telefon 49 941 944-7301
E-Mail: miriam.banas@ukr.de

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