In seinem siebenseitigen Artikel vertritt Bierling die Meinung, dass der ?berfall russischer Truppen auf die Ukraine eine Zeitenwende darstellt: Die Zwischenkriegszeit sei beendet, so Bierling. Das bedeute nicht nur einen Umbruch für die politische Lage im Osten oder in Europa allgemein, sondern auch speziell in Deutschland. Laut Bierling brachte die Regierungserkl?rung, die Bundeskanzler Olaf Scholz Ende Februar abgab, ?die dramatischste sicherheitspolitische Wende in der Geschichte der Bundespolitik“ mit sich. ?Es ist bitter, dass es Putins ?berfall auf die Ukraine und massiven Druck der Bündnispartner brauchte, um Deutschland in die Realit?t internationaler Politik im 21. Jahrhundert zu katapultieren“, so Bierling w?rtlich.
Das Versagen der deutschen Au?enpolitik sieht der Politikwissenschaftler also vor allem darin, dass alles, was gerade in Bezug auf die Krise mit Russland und in der Ukraine passiert, ?über ein v?llig unvorbereitetes Deutschland hereinbricht“. Deutschland sei nach dem Fall der Mauer in den frühen Neunzigern sozusagen eingeschlafen und wirke nun v?llig davon überfordert, dass die Welt in der Zwischenzeit nicht stehen geblieben sei.
Auch die Medien nimmt Bierling in seinem Artikel in die Pflicht, denn nicht zuletzt die ?ffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten h?tten in den vergangenen Jahren ihre Aufmerksamkeit überdurchschnittlich stark auf sogenannte ?weiche Themen“ konzentriert, sowie – natürlich – auf Corona, und dabei au?enpolitische Fragen aus dem Blick verloren. Und schlie?lich passiere auch an den deutschen Universit?ten zu wenig, wenn es um internationale Politik gehe, kritisiert der Professor seinen eigenen Wirkungsbereich. Auch von dort seien kaum Impulse zu erwarten: ?In Deutschland marginalisieren sich die wenigen Internationale-Politik-Professoren meist noch selbst, weil sie sich mit immer ausgefeilteren Methoden und Theorien und immer unverst?ndlichen Begriffen auf immer kleinteiligere Probleme stürzen“, so Bierling.
Ganz so düster schlie?t der Regensburger Wissenschaftler seine ?berlegungen dann aber doch nicht: Die Reaktionen auf Putins ?berfall auf die Ukraine – ob kurzfristig freigegebene Milliardenhaushalte oder eingefrorene Oligarchen-Verm?gen - zeigten: ?Es steckt noch Leben im Westen“. Dadurch, dass er die Welt wachgerüttelt hat, habe Putin mehr für die NATO und die Geschlossenheit des Westens getan, als es eine Gipfelerkl?rung jemals vermocht h?tte. Und nun liege es an Berlin zu beweisen, dass dieser so pl?tzlich vollzogene Wandel in unserem Land von Dauer ist.