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Aktuelles: Wie sich Elektronen mit Licht einkleiden

Licht – das Fünfte Element der Materialwissenschaften?

12. April 2023, von Bastian Schmidt

  • Physik
  • Forschung

Neue Materialeigenschaften, blitzschnell und nach Wunsch – diese Vision wird durch jüngste Erkenntnisse einer europaweiten Forschungsgruppe aus der Physik gen?hrt. Das Team nutzt ultrakurze und starke Lichtfelder, um direkt zu beobachten, wie in einem Kristall exotische energetische Zust?nde entstehen, so genannte Floquet-B?nder. Die Wissenschaftler berichten im Forschungsmagazin ?Nature über ihre Ergebnisse.
?Die Entdeckung neuer Materialeigenschaften h?ngt üblicherweise von unserer F?higkeit ab, die chemische Zusammensetzung des Materials zu kontrollieren“, sagt der Marburger Physiker Professor Dr. Ulrich H?fer, ein Leitautor des Fachaufsatzes, der seit 2022 auch Adjunct Professor an der Universit?t Regensburg ist. ?Die rein optische Beeinflussung von Materialeigenschaften hingegen k?nnte die Physik in eine neue ?ra führen, indem sie neue Funktionen nach Bedarf erm?glicht.“ 
Regt man Elektronen periodisch mit starkem Licht an, so führt dies zu exotischen Quanteneffekten: Die periodischen St?rungen durch das starke Lichtfeld bewirken, dass die Elektronen nicht nur einen feststehenden Energiezustand besitzen, sondern viele Energiezust?nde in gleichm??igem Abstand. ?Der ursprüngliche Energiezustand umgibt sich gewisserma?en mit mehreren Hüllen aus Licht“, erkl?rt der Regensburger Physiker Professor Dr. Rupert Huber, ein weiterer Leitautor. Fachleute sprechen hierbei von Floquet-B?ndern. ?Die dynamischen Eigenschaften solcher Zust?nde – also zum Beispiel die Frage, wie lange Elektronen brauchen, um sich mit Licht ?einzukleiden“ – blieben bislang jedoch unbekannt“, führt Huber aus. 
Die Sonderforschungsbereiche ?Struktur und Dynamik innerer Grenzfl?chen“ sowie ?Emergent relativistische Effekte in kondensierter Materie“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an den Universit?ten Marburg und Regensburg bieten beste Voraussetzungen, um derartige Forschungslücken zu schlie?en. Das Team nutzte die Methode der Photoelektronenspektroskopie, mit der es die Oberfl?che eines Kristalls untersuchte. 
?Wir gingen mit unseren Messungen über die Grenze dessen hinaus, was sich bis dato mit dieser Spektroskopie an Zeitaufl?sung bei starken Lichtfeldern realisieren lie?“, hebt Dr. Suguru Ito,der Erstautor der Fachpublikation, hervor. Dadurch gelang dem Team eine unvorhergesehene Entdeckung: ??berraschender Weise bilden sich die Floquet-B?nder schon nach einem einzigen optischen Zyklus aus, also in sehr kurzer Zeit“, legt der Physiker dar.

?Die Gutachter konnten das zun?chst kaum glauben!“, erz?hlt Prof. H?fer. Doch die eindeutigen experimentellen Resultate werden durch theoretische Modellierungen gestützt, die Dr. Michael Schlüter vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen in der Schweiz und Professor Dr. Michael Sentef vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg beisteuerten. 
?Unser Experiment er?ffnet die M?glichkeit, eine Vielzahl von vorübergehenden Quantenzust?nden sichtbar zu machen“, erg?nzt Prof. Huber ?百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 ebnet den Weg zu ma?geschneiderten Quantenfunktionen und zu ultraschneller Elektronik.“

Das Forschungsteam:

Prof. Dr. Ulrich H?fer lehrt Experimentalphysik an der Philipps-Universit?t Marburg. Prof. Dr. Rupert Huber hat eine Professur für Experimentelle und Angewandte Physik an der Universit?t Regensburg inne. Beide erhielten kürzlich gemeinsam einen ERC Synergy Grant des Europ?ischen Forschungsrats für ihr Forschungsprojekt ?Orbitalkino“ zugesprochen.
Neben den Arbeitsgruppen aus Marburg und Regensburg beteiligten sich Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg, vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen, Schweiz, und vom A. V. Rzhanov-Institut in Novosibirsk, Russland an der Ver?ffentlichung. Die Kooperation mit dem russischen Kollegen fand noch vor dem Ukrainekrieg statt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft f?rderte beteiligte Wissenschaftler durch Sonderforschungsbereiche in Marburg und Regensburg sowie durch das Emmy-Noether-Programm. Mehrere internationale F?rderorganisationen gew?hrten weitere finanzielle Unterstützung. 

Originalver?ffentlichung: 

S. Ito, M. Schüler, M. Meierhofer, S. Schlauderer, J. Freudenstein, J. Reimann, D. Afanasiev, K. A. Kokh, O. E. Tereshchenko, J. Güdde, M. A. Sentef, U. H?fer, R. Huber, ?Build-up and dephasing of Floquet-Bloch bands on subcycle timescales“, Nature (2023). DOI: 10.1038/s41586-023-05850-x

https://doi.org/10.1038/s41586-023-05850- (externer Link, ?ffnet neues Fenster)

 

Informationen/Kontakt

Professor Dr. Rupert Huber
Universit?t Regensburg
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik
Arbeitsgruppe Ultraschnelle Quantenphysik und Photonik
Tel.: +49 (0)941 943-2070
E-Mail: rupert.huber​(at)​physik.uni-regensburg.de (?ffnet Ihr E-Mail-Programm)

Professor Dr. Ulrich H?fer
Philipps-Universit?t Marburg
Fachbereich Physik
Arbeitsgruppe Oberfl?chendynamik
Tel.: +49 (0)6421 28-24215
E-Mail: Hoefer​(at)​physik.uni-marburg.de (?ffnet Ihr E-Mail-Programm)
 

Nahaufnahme einer gitterartigen Oberfl?che mit mehreren spitzen, kegelf?rmigen Strukturen, die sich darauf zubewegen. Die Strukturen bestehen aus vielen kleinen Partikeln und zeigen einen Farbverlauf von Violett über Orange bis Wei?. Der Hintergrund ist unscharf, wodurch die Details der Kegel und des Gitters hervorgehoben werden. Foto: Brad Baxley (parttowhole.com)
Wenn Elektronen (Kugeln) in der Oberfl?che eines topologischen Isolators durch starke Lichtwellen gem?? ihrer Bandstruktur (unterster Kegel) beschleunigt werden, entstehen Floquet-Bloch-Replikas (h?her liegende Kegel) der ursprünglichen Bandstruktur. Videos der Bandstruktur mit subzyklen Zeitaufl?sung enthüllen erstmals die Entstehungsdynamik (Kegel im Hintergrund). 
Eine Person arbeitet an komplexem wissenschaftlichem Ger?t in einem Labor. Das Equipment besteht aus Metallteilen, R?hren, Ventilen und Messinstrumenten. Im Hintergrund sind Computerbildschirme und weitere elektronische Ger?te zu sehen. Foto: Jens Güdde
Der Marburger Physiker Dr. Suguru Ito führte an einer Ultrahochvakuum-Apparatur die Messungen durch, die den schnellen Aufbau exotischer Quantenzust?nde nachwiesen.
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