Mindestens so vielf?ltig wie die botanischen Entsprechungen seiner diversen Benennungen ist die Rolle, die der Apfel im antiken Mythos einnimmt. Prominent ist der Apfel der Eris, mit dem diese ?G?ttin des Streits“ aus Rache für die unterbliebene Einladung beim Hochzeitsfest des Peleus und der Thetis – der Eltern des sp?teren Kriegshelden Achill – für Unfrieden sorgte (Hyg. fab. 92). Der Apfel war mit dem lapidaren Hinweis καλλ?στ? (?für die Sch?nste bestimmt“) versehen, wovon sich insbesondere drei anwesende Sch?nheiten – Hera, Athene und Aphrodite –? angesprochen fühlten. Der trojanische K?nigssohn Paris hatte die undankbare Aufgabe, den Streit zu schlichten, und zog sich mit seinem Votum für Aphrodite den Zorn der beiden anderen G?ttinnen zu – Eris hatte ihr Ziel erreicht und die G?tter für den kommenden Krieg um Troja in zwei Lager gespalten (zum Granatapfel als Attribut der Aphrodite vgl. den bei Athen. deipn. 3, 84c berichteten Mythos, wonach die G?ttin den Baum auf Zypern gepflanzt habe).
?hnlich wie bei der Hochzeit von Peleus und Thetis spielt auch im Mythos um Persephone ein Apfel – genauer: der Granatapfel – eine verh?ngnisvolle Rolle. Die Tochter der Demeter war vom Unterweltsgott Hades entführt und in sein Schattenreich gebracht worden. Auf Dr?ngen ihrer Mutter wird Persephone die M?glichkeit gegeben, ganz in die Oberwelt zurückzukehren, doch verwirkt sie diese Chance, weil sie zuvor sechs Kerne von den besagten Granat?pfeln gekostet hat: Fortan muss sie zur Strafe ein Drittel des Jahres im Reich des Hades verbringen. Der Granatapfel ist nicht nur im Persephonemythos mit der Unterwelt verbunden: Auf Heroenreliefs und in Sepulkraldarstellungen symbolisiert der Granatapfel in der Hand der bzw. des Dargestellten wohl das Weiterleben im Jenseits; auch als Grabbeigaben aus Ton und in Grabmalereien ist die Frucht als chthonisches Symbol arch?ologisch bezeugt (Engemann 699-704).
Ein Hochzeitsgeschenk in Form von ?pfeln machte die Erdg?ttin Gaia der Hera und dem Zeus, diesmal allerdings mit weitaus glimpflicherem Ausgang. Die ?pfel wurden auf einer Insel im ?u?ersten Westen der Welt von den Hesperiden, Nymphen und T?chter des Atlas, sowie vom Drachen Ladon bewacht (vgl. schon die Andeutung bei Hes. erg. 171-173). ?hnlich wie die ?pfel, die die germanische G?ttin Freia aus dem Garten der Jugend pflückt, haben die Früchte für die olympischen G?tter eine verjüngende Wirkung. Mit einem Trick gelang es Herakles, Atlas zum Pflücken der ?pfel zu bewegen und damit eine weitere seiner zw?lf Taten zu erledigen. Die Ikonographie des Apfelbaumes, um den sich schützend der Drache Ladon schl?ngelt, ?hnelt in auffallender Weise den aus der jüdisch-christlichen Tradition erwachsenen Darstellungen vom Paradiesbaum.
Das symbolische Spektrum des Apfels reicht im Mythos also weit: Er erscheint als verh?ngnisvolle Gabe und Grund für grausame Kriege (Eris), als Speise der Toten, die an die Unterwelt bindet (Persephone), aber auch als Spender von Jugend und Kraft (Hesperiden). Auf der Ebene der literarischen Bildersprache bleiben hingegen die positiven Aspekte Liebe und Fruchtbarkeit vorherrschend, wie aus dem wohl berühmtesten Apfelvergleich der antiken Literatur in einem Fragment der Dichterin Sappho ersichtlich wird (um 600 v. Chr.; frg. 105a Lobel):
ο?ον τ? γλυκ?μαλον ?ρε?θεται ?κρ? ?π' ?σδ?,
(?bers. Bagordo).
??κρον ?π' ?κροτ?τ?, λελ?θοντο δ? μαλοδρ?πηε?,
?ο? μ?ν ?κλελ?θοντ', ?λλ' ο?κ ?δ?ναντ' ?π?κεσθαι
Wie der sü?e Apfel r?tet an der Spitze des Astes,
hoch über dem h?chsten, und ihn vergassen die Apfelpflücker
- nein, sie verga?en ihn nicht, aber sie konnten ihn nicht erreichen.