Der menschliche Gang ist ein sehr komplizierter Bewegungsablauf, weswegen die Ursachenforschung bei Gangst?rungen eine gro?e Herausforderung für den Arzt oder Krankengymnasten darstellt.
Pr?ziser als das menschliche Auge
Faktoren wie Schmerz, Muskelschw?che, spastische Erkrankungen und angeborene bzw. erworbene Deformit?ten oder Verletzungen erh?hen die Schwierigkeit der Analyse, weil oft an mehreren Stellen gleichzeitig Ver?nderungen des Gangbilds auftreten und oft nur schwer zu erkennen sind. Dem erfahrenen Ganganalytiker liefert eine visuelle Beobachtung des Patienten manchmal schon erste Anhaltspunkte über das zugrundeliegende Krankheitsbild. Für eine detaillierte Befunderhebung und Therapieplanung ist das menschliche Auge allerdings meist nicht genau genug. Die instrumentierte Ganganalyse bietet hier eine sehr gute Erg?nzung, um den menschlichen Gang quantitativ zu vermessen.
Das Labor für Gang- und Bewegungsanalyse in der Orthop?dischen Klinik für die Universit?t Regensburg existiert inzwischen seit 12 Jahren und besitzt eine umfangreiche Ausstattung:
Bewegungsanalyse
Für die Bewegungsanalyse selbst steht das dreidimensionale computergestützte, videobasierte Bewegungsanalyse-System ?Motion“ der Firma Simi (Unterschlei?heim) mit 6 simultan aufzeichnenden digitalen Basler-Kameras (70Hz) zur Verfügung. Die Analysen k?nnen sowohl auf einer 10 Meter langen Gehstrecke als auch auf einem Woodway-Laufband durchgeführt werden. Parallel dazu k?nnen 16 Kan?le Oberfl?chen-Elektromyografie (zur Registrierung von Muskelaktivit?ten) und die Bodenreaktionskr?fte mit 2 Kistler Kraftmessplatten registriert werden.
Mit Hilfe der Ganganalyse kann der Bewegungsablauf genauer betrachtet werden und mit Normdaten verglichen werden. Hierzu werden kleine reflektierende Marker auf bestimmte Knochenpunkte an Fü?en, Beinen, Hüfte und unterem Rücken geklebt. Anschlie?end wird der Gang des Patienten mit den 6 Videokameras aufgenommen und digitalisiert, so dass ein 3D-Modell des Patienten erstellt wird, aus dem die auftretenden Gelenkkr?fte, -momente und -winkel berechnet werden. Damit ist eine genaue Analyse von überbelasteten Gelenken, fehlerhaften Bewegungsabl?ufen, Bewegungseinschr?nkungen und Gangasymmetrien m?glich. Darauf basierend k?nnen Rückschlüsse auf krankhafte Ursachen gezogen werden und es kann eine für den Patienten optimierte Schienenversorgung, Operationsplanung oder andere Ma?nahmen erfolgen.
Funktionelle Wirbels?ulen und Haltungsanalyse
Für Fragestellungen der Haltungsvermessung oder Beinl?ngendifferenz wird der 3D-Oberfl?chenscanner der Firma Diers eingesetzt (Formetric 4D). Sie erm?glicht eine schnelle, berührungslose und hochaufl?sende optische Vermessung des menschlichen Rückens. Bei der Messung selbst wird ein Linienraster auf den Rücken projiziert. ?ber ein Kamerasystem wird das Muster aufgezeichnet, mittels moderner Computersoftware analysiert und ein dreidimensionales Abbild berechnet. Die Technik wird regelhaft anstatt von R?ntgenuntersuchungen bei der Versorgung von Skoliosepatienten eingesetzt.
Test- und Trainingssystem für das Gleichgewichtsverm?gen
Zur Messung der Gleichgewichtsf?higkeit steht das Balance System der Firma Biodex zur Verfügung. Das System bietet verschiedene Testverfahren zur Bestimmung des statischen und dynamischen Gleichgewichts. Auf dieser Basis k?nnen Balancedefizite erkannt und entsprechende Therapieschritte geplant werden.
Pedobarographie
Mit dem FastScan-System der Firma Tekscan kann die Druckverteilung unter der Fu?sohle mit Hilfe einer dünnen Mess-Sohle, die in den Schuh oder in den Socken eingelegt wird (Pedobarografie) dargestellt werden. So lassen sich krankhafte Belastungsmuster erkennen, und es k?nnen mit einer Einlagenversorgung überlastete Strukturen entlastet oder mit diversen konservativen oder chirurgischen Therapieoptionen eine Schmerzlinderung für den Patienten erreicht werden.
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Neben der klinischen Patientenversorgung liegt ein weiterer Schwerpunkt des Labors auf der biomechanischen Forschung und Evaluation von Operationsmethoden. In enger Zusammenarbeit mit dem Biomechanik-Labor der Hochschule Regensburg laufen derzeit zahlreiche Studien- und Abschlussarbeiten – wie z.B. Bachelor-, Diplom- und Doktorarbeiten.
Derzeit laufende Studien untersuchen die Gangcharakteristik von Patienten mit Versteifungen bzw. Endoprothesen im Sprunggelenk, evaluieren ein Sturzprophylaxe-Training, erfassen die Balancef?higkeit von Patienten mit Sprunggelenks-Innenband-Rupturen und messen die Fu?druckverteilung nach versorgter Peronealsehnen-Split-L?sion.
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Grifka, Joachim; Dullien, Silvia (2009): Knie und Sport. Empfehlungen von Sportarten aus orthop?discher und sportwissenschaftlicher Sicht. Unter Mitarbeit von Klaus Eder. K?ln: Deutscher ?rzte-Verlag.
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Weber, Tim; Al-Munajjed, Amir A.; Verkerke, Gijsbertus J.; Dendorfer, Sebastian; Renkawitz, Tobias (2014): Influence of minimally invasive total hip replacement on hip reaction forces and their orientations. In: Journal of orthopaedic research : official publication of the Orthopaedic Research Society 32 (12), S. 1680–1687. DOI: 10.1002/jor.22710.
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Weber, Tim A.; Dendorfer, Sebastian; Grifka, Joachim; Verkerke, Gijsbertus J.; Renkawitz, Tobias (2015b): Does Computer-Assisted Femur First THR Improve Musculoskeletal Loading Conditions? In: BioMed research international 2015, S. 625317. DOI: 10.1155/2015/625317.
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Renkawitz, Tobias; Weber, Tim; Dullien, Silvia; Woerner, Michael; Dendorfer, Sebastian; Grifka, Joachim; Weber, Markus (2016): Leg length and offset differences above 5mm after total hip arthroplasty are associated with altered gait kinematics. In: Gait & posture 49, S. 196–201. DOI: 10.1016/j.gaitpost.2016.07.011.
Weber, Tim; Dendorfer, Sebastian; Bulstra, Sjoerd K.; Grifka, Joachim; Verkerke, Gijsbertus J.; Renkawitz, Tobias (2016): Gait six month and one-year after computer assisted Femur First THR vs. conventional THR. Results of a patient- and observer- blinded randomized controlled trial. In: Gait & posture 49, S. 418–425. DOI: 10.1016/j.gaitpost.2016.06.035.
G?tz, Jürgen; Lange, Mario; Dullien, Silvia; Grifka, Joachim; Hertel, Gernot; Baier, Clemens; Koeck, Franz (2017): Off-loading strategies in diabetic foot syndrome - evaluation of different devices. In: International orthopaedics 41 (2), S. 239–246. DOI: 10.1007/s00264-016-3358-1.
Goetz, J.; Baeurle, M.; Dullien, S.; Grifka, J.; Koeck, F.; Baier, C. (2017a): Postural Stability after Unicondylar Knee Arthroplasty and Patient-Specific Interpositional Knee Spacer. In: BioMed research international 2017, S. 5836025. DOI: 10.1155/2017/5836025.
Goetz, Juergen; Schiessl, Susanne; Baier, Clemens; Dullien, Silvia; Mueller, Karolina; Grifka, Joachim; Koeck, Franz (2017b): Postural stability after patient-specific interpositional knee spacer or total knee arthroplasty. A comparative study. In: International orthopaedics 41 (1), S. 67–73. DOI: 10.1007/s00264-016-3266-4.
Dr. med. Dipl.-Ing. Florian V?llner (?rztlicher Leiter des Ganglabors)
E-Mail: florian.voellner[at]ukr.de
Diplom-Sportwiss. S. Dullien
E-Mail: silvia.dullien[at]ukr.de
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