Der Lebensraum der Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera L. im Kontext der Kulturlandschaft im Deutsch-Tschechischen Grenzgebiet
Ein kombinierter Ansatz aus molekularbiologischen Untersuchungen der ?environmental-DNA“ und makro?kologischen Einflussgr??en aus der Landschaft im kulturhistorischen Zusammenhang zur Erstellung eines Habitatmodells
Projektkoordination: Prof. Dr. Peter Poschlod
Projektbearbeitung: Julia Sattler?
Abb. 1: M. margaritifera in einem Bach der Projektregion. Foto: Julia Sattler. | . |
Die Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera geh?rt zu den am st?rksten bedrohten Sü?wasserlebewesen (Geist 2010). Durch ihren komplexen Lebenszyklus (Abb. 1) sowie die hohen Ansprüche an Wasser- und Sedimentqualit?t ist sie von Eingriffen in den Naturhaushalt unmittelbar und mittelbar stark betroffen (Young 1991). Heute gilt die Art weltweit als vom Aussterben bedroht (Rote Liste IUCN: Critically Endangered (CR)). In den europ?ischen Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinien ist sie als Art der Anh?nge II und IV besonders geschützt (Araujo und Ramos 2000)
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Abb. 2: Der Lebenszyklus der Flussperlmsuchel.
① Adulte Tiere machen j?hrlich einen Fortpflanzungszyklus durch, bei dem das M?nnchen das Sperma ins Gew?sser abgibt. Mit dem Atemwasser gelangt dieses in die Mantelh?hle des Weibchens, wo die Befruchtung von Millionen Eiern stattfindet.
② Nachdem sich aus den befruchteten Eiern 0,04–0,07?mm gro?e Glochidien, die Larven der Muscheln, entwickelt haben, werden diese millionenfach ins Gew?sser abgegeben.
③ + ④ Um sich zur Jungmuschel entwickeln zu k?nnen, muss die Glochidie ein etwa zehnmonatiges parasit?res Stadium im Kiemenepithel einer Bachforelle vollziehen. Um dorthin zu gelangen, muss die Str?mung günstig und ein Wirtsfisch pr?sent sein.
⑤ Im Frühsommer des darauffolgenden Jahres haben die Jungmuscheln eine Gr??e von 0,5–0,7?mm erreicht, fallen von ihrem Wirt ab und sinken zu Boden, wo sie sich eingraben.
⑥ In dieser frühen Phase sind sie in besonderem Ma?e auf ausreichend sauerstoffhaltiges Sediment und die Verfügbarkeit von Detritus als Nahrungsressource angewiesen.
⑦ Nach etwa vier bis sieben Jahren tauchen die Jungmuscheln wieder an der Substratoberfl?che auf. In einem Alter von 12-15?Jahren erreichen sie die Geschlechtsreife.
⑧ Bis ein Individuum die Geschlechtsreife erreicht, ist die Sterblichkeit in jedem Stadium seiner Entwicklung sehr hoch. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Glochidie letztlich reproduziert, sehr gering. 百利宫_百利宫娱乐平台¥官网 kann jedoch durch die hohe Lebenserwartung adulter Tiere von teils über 100?Jahren, w?hrend derer ungünstige Phasen auch über l?ngere Zeit überdauert werden k?nnen, kompensiert werden (Bauer 1987; Boon et al. 2019; Bauer und W?chtler 2001; Gramstad 2014; Eybe et al. 2013; Hastie et al. 2003).
W?hrend im 19. und angehenden 20. Jahrhundert die Perlenfischerei noch als Hauptgef?hrdungsfaktor für die Muschelbest?nde galt (Araujo und Ramos 2000), stellte sich der im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts vollzogene Land- und Gew?ssernutzungswandel als weitaus st?rkere Bedrohung dar. Intensive Land- und Wasserwirtschaft sorgen durch Eutrophierung, toxische Verunreinigungen oder Gew?sserverbau für das Verschwinden der Art an einer Vielzahl der Standorte (Bauer 1988). Gründe sind unter anderem die Einschr?nkung der Durchg?ngigkeit der Gew?sser für Wirtsfische oder die Sohlverschlammung aufgrund von ver?ndertem Wasserregime (Denic und Geist 2015). Zudem kann eine stoffliche Ver?nderung der Gew?sser direkte toxische Auswirkungen auf den Muschelbestand haben oder auch auf Ebene der Bioz?nosen sowie in der Nahrungskette der Tiere für ein Aussterben der Art sorgen (Hastie et al. 2000).
In den grobmaterialreichen, silikatischen Mittelgebirgsb?chen im Grenzbereich zwischen Bayern und Tschechien befindet sich einer der wenigen verbliebenen Verbreitungsschwerpunkte Europas (Abb.?3). Innerhalb dieses Projektes untersuchen wir die Lebensr?ume dieser mitteleurop?ischen Vorkommen. Mit Hilfe des molekular-biologischen Ansatzes der environmental DNA k?nnen wir die Vielzahl der Organismen identifizieren, die mit den Vorkommen der Flussperlmuschel assoziiert sind. Dabei liegt unser Augenmerk einerseits auf potenziellen Indikatoren für die Habitatqualit?t aus dem Spektrum des Makrozoobenthos, andererseits auf pflanzlichen Detritus-Komponenten, die eine gute Nahrungsgrundlage für die Muschel bilden k?nnen. Gemeinsam mit gew?sserchemischen und physikalischen Parametern sowie den Kofaktoren aus Land- und Gew?ssernutzung werden diese Daten in einem Habitatmodell der Perlmuschel verarbeitet.
Abb. 1: Europ?ische Verbreitung von Populationen der Flussperlmuschel aus (Geist 2005). Einzelne Punkte k?nnen für mehrere Populationen stehen. Vorkommen, für die keine Information zur Altersstruktur vorliegt, sind mit Fragezeichen gekennzeichnet. ? ? ? ? ? ? ? ? |
Des Weiteren führen wir eine Analyse der historischen Landschaftsentwicklung durch, um einen m?glichen Zusammenhang zwischen der Bestandsentwicklung der Flussperlmuschel und der Landnutzung zu identifizieren. Hierzu wird Kartenmaterial in fünf Zeitschnitten von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute fl?chenhaft ausgewertet. Als Bewertungseinheit gelten acht Fl?chen von je 16 mal 16 km, die sich gleicherma?en auf deutscher wie auf tschechischer Seite befinden (Abb.?4).
Abb. 2: Bewertungsfl?chen für die historische Landschaftsanalyse entlang der deutsch-tschechischen Grenze. | ? ? |
Die Ver?nderung der Fl?chenanteile, welche bestimmte Landschaftselemente einnehmen, kann schlie?lich mit der Bestandsentwicklung der Perlmuschel zur Deckung gebracht werden. Hierdurch k?nnen Aussagen über den Einfluss der Landnutzung auf das Artvorkommen getroffen werden. Besonderes Augenmerk wird auf den potentiellen Zusammenhang der historischen W?sserwiesennutzung mit dem Vorkommen der Perlmuschel gelegt.
Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Karlsuniversit?t Prag, dem BUND Naturschutz (Kreisgruppe Hof) sowie der Projektgruppe ?Grünes Band“ und dem Hydrologischen Institut Prag (V?V-TGM) durchgeführt. Finanziert wird es durch die Gemeinschaftsinitiative ?Interreg“ des Europ?ischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Literaturverzeichnis
Araujo, Rafael; Ramos, ?ngeles (2000): Action plan for Margaritifera margaritifera in Europe. Convention on the conservation of European wildlife and natural habitats. S. 18-71.
Bauer, G. (1987): Reproductive Strategy of the Freshwater Pearl Mussel Margaritifera margaritifera. In: Journal of Animal Ecology (56), S. 691–704.
Bauer, Gerhard (1988): Threats to the Freshwater Pearl mussel Margaritifera margaritifera L. in Central Europe. In: Biological Conservation (45), S. 239–253.
Bauer, Gerhard; W?chtler, Klaus (2001): Ecology And Evolution Of The Freshwater Mussels Unionoida. Heidelberg: Springer (Ecological Studies, 145).
Boon, Philip J.; Cooksley, Susan L.; Geist, Juergen; Killeen, Ian J.; Moorkens, Evelyn A.; Sime, Iain (2019): Developing a standard approach for monitoring freshwater pearl mussel (Margaritifera margaritifera) populations in European rivers. In: Aquatic Conserv: Mar. Freshw. Ecosyst. 29 (8), S. 1365–1379.
Denic, M.; Geist, J. (2015): Linking Stream Sediment Deposition and Aquatic Habitat Quality in Pearl Mussel Streams: Implications for Conservation. In: River Res. Applic. 31 (8), S. 943–952.
Eybe, Tanja; Thielen, Frankie; Bohn, Torsten; Sures, Bernd (2013): The first millimetre - rearing juvenile freshwater pearl mussels (Margaritifera margaritifera L.) in plastic boxes. In: Aquatic Conserv: Mar. Freshw. Ecosyst. 23 (6), S. 964–975.
Geist, Juergen (2010): Strategies for the conservation of endangered freshwater pearl mussels (Margaritifera margaritifera L.): a synthesis of Conservation Genetics and Ecology. In: Hydrobiologia 644 (1), S. 69–88.
Geist, Jürgen (2005): Conservation Genetics and Ecology of European Freshwater Pearl Mussels (Margaritifera margaritifera l.). Dissertation. Technische Universit?t München, München. Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ern?hrung, Landnutzung und Umwelt.
Gramstad, Jeanette (2014): Finding the way to food. Patch quality evaluation performed by young of the year freshwater pearl mussels (Margaritifera margaritifera). University of Bergen, Bergen. Department of Biology.
Hastie, L. C.; Cooksley, S. L.; Scougall, F.; Young, M. R.; Boon, P. J.; Gaywood, M. J. (2003): Characterization of freshwater pearl mussel (Margaritifera margaritifera) riverine habitat using River Habitat Survey data. In: Aquatic Conserv: Mar. Freshw. Ecosyst. 13 (3), S. 213–224.
Hastie, Lee C.; Boon, Philip J.; Young, Mark. R. (2000): Physical microhabitat requirements of freshwater pearl mussels, Margaritifera margaritifera (L.). In: Hydrobiologia (429), S. 59–71.
Young, M. R. (1991): Conserving the freshwater pearl mussel (Margaritifera margaritifera L.) in the British Isles and vontinental Eutope. In: Aquatic Conserv: Mar. Freshw. Ecosyst. 1, S. 73–77.